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Fundraising in der Flutkatastrophe: „Der beste Zeitpunkt zum Spenden ist immer“

Spendenzweck „Hochwasser“ – die Flutkatastrophe in Deutschland im Sommer 2021 hat uns auf tragische Weise daran erinnert, wie wichtig der Zusammenhalt in der Gesellschaft ist. Neben der Unterstützung vor Ort wurden urplötzlich riesige Summen für den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete benötigt. Doch viele Menschen sind sich unsicher, wo ihre Spende am besten aufgehoben ist. Joachim Sina, Head of Fundraising der GRÜN Software Group und Geschäftsführer von GRÜN alpha, gibt im Interview mit der Ratingagentur Assekurata Antwort auf wichtige Fragen zum Spenden für die Flutkatastrophe.

Assekurata: Es gibt in der jetzigen Flutkatastrophe eine Vielzahl an Spendenmöglichkeiten. Wie können sich Spendenwillige orientieren?

Joachim Sina: Im Katastrophenfall, wie jetzt bei der Starkregen-Flut, kann man an eines der Aktions-Bündnisse spenden, in denen sich einige der wichtigsten Hilfsorganisationen zusammengeschlossen haben. Das sind bspw. das „Aktionsbündnis Katastrophenhilfe“, „Aktion Deutschland Hilft“ oder das „Bündnis Entwicklung Hilft“. Aber auch das Land NRW hat in der aktuellen Krisensituation die „Aktion NRW hilft“ ins Leben gerufen, in der sich wiederum die großen Hilfsorganisationen in NRW zusammengetan haben, um Hilfe für die Flutopfer zu organisieren.

Auch in Rheinland-Pfalz gibt es ein Aktionsbündnis. Alternativ kann man sich auch daran orientieren, welche Organisationen föderal organisiert und deshalb lokal vertreten und direkt in den Flutgebieten im Einsatz sind, wie etwa THW, AWO, Caritas u.a. Viele Menschen würden gerade jetzt Flutopfern möglichst direkt helfen wollen. Das geht aber am besten über die Hilfsorganisationen, die vor Ort im Einsatz sind.

Sollten Interessierte ihre Spende möglichst verteilen oder gezielt einem Projekt zukommen lassen?

Joachim Sina: Auch hier würde ich zunächst wieder unterscheiden: In einem akuten Krisenfall ist es vernünftig, die Verteilung lieber den helfenden Organisationen vor Ort zu überlassen. Spendet man bspw. an eines der Bündnisse, kümmern die sich um die bedarfsgerechte Verteilung. Man überlässt die Verteilung gewissermaßen den Profis. Bei Spenden außerhalb der Krise ist es in Deutschland zumindest in der spendenstarken Gruppe der über 60-Jährigen gute Tradition, mehrere Projekte oder Organisationen zu unterstützen. Menschen spenden gerne gemäß ihren persönlichen Interessen und daher ist eine Verteilung auf ganz unterschiedliche Spendenzwecke eher die Regel als die Ausnahme.

Andere interessante Fragen in diesem Zusammenhang sind aber auch: Soll ich zweckgebunden spenden oder nicht? Oder: Bewirke ich mit einer regelmäßigen Spende mehr als mit einer einmaligen? Wenn ich den Einsatz einer Organisation grundsätzlich sinnvoll finde, ist es besser, ihr zu vertrauen, dass sie meine Spende dort einsetzt, wo diese gerade am dringendsten gebraucht wird ist. So ist sie flexibel.

Regelmäßige Spenden, zum Beispiel als Dauerauftrag oder Lastschrift, sind sinnvoll, insbesondere wenn eine Organisation dauerhaft laufende Projekte umsetzt. Dazu gehört am Beispiel der aktuellen Flutkatastrophe eben auch das Vorhalten von Menschen und Material für den Einsatz in der Katastrophe. Je regelmäßiger ich eine Organisation unterstütze, desto zuverlässiger kann sie ihre Projekte langfristig planen und finanzieren. Ein weiterer Vorteil: Die regelmäßige Spende senkt die Verwaltungskosten, da beispielsweise das Auslösen eines Sammeleinzugs von vielen Spenden weniger Aufwand verursachen kann als das Verbuchen einer einzigen Spende.

Woran erkenne ich, was mit meiner Spende konkret geschieht?

Joachim Sina: Viele gemeinnützige Organisationen erstellen jedes Jahr einen Bericht über ihre Tätigkeiten im vergangenen Jahr. Darin stellen sie ihre Projekte vor und beziffern konkret, wie viele Spendengelder sie im jeweiligen Jahr eingenommen und für welche Projekte sie sie eingesetzt haben. Wenn die Organisation keinen solchen Jahresbericht druckt, findet man oft entsprechende Informationen auf der Website, zum Beispiel als Erfolgsgeschichten laufender oder abgeschlossener Projekte. Falls nicht, kann ich immer auch bei der Organisation nachfragen.

Wie aufwendig ist die Verwaltung und Organisation der Hilfe bzw. wie viele der Spendengelder kommen bei den Betroffenen an?

Joachim Sina: Ohne Verwaltungskosten geht es nicht. Im besten Fall versucht jede Organisation, ihre Verwaltung so effizient zu strukturieren, dass nicht mehr Kosten dafür anfallen, als notwendig sind. Im besten Fall kommt der allergrößte Teil der Spenden in den Projekten an.

Verwaltungskosten sollten in gesunder Relation zu den Projekten stehen. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) hält Verwaltungskosten von bis zu 30 Prozent für „vertretbar“. Und auch Finanzämter haben ihre Vorgaben, bis zu welcher Höhe an Verwaltungskosten sie im Rahmen der Gemeinnützigkeit akzeptieren. Allerdings sollten sie auch nicht zu gering ausfallen, insbesondere, wenn die Organisation festangestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat. Denn von einer Organisation, von der ich seriöse und organisierte Hilfe für gemeinnützige Projekte erwarte, von der erwarte ich auch eine seriöse Bezahlung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und eine organisierte Koordination ihrer Tätigkeit. Denn nur das garantiert langfristig eine sinnvolle Arbeit. Dazu empfehle ich gerne auch unseren Blogartikel zum Thema Verwaltungskosten in Spendenorganisationen.

Wie wird vermieden, dass sich Unberechtigte an den Spenden bereichern?

Joachim Sina: Größere Organisationen haben Projektabteilungen, in denen Fachleute die Verwendung der Gelder prüfen und steuern. Kleine Organisationen sind meist ganz nah an den Projekten und können sich vor Ort von der zweckgemäßen Verwendung der Gelder überzeugen. Viele Organisationen setzen professionelle Verwaltungssoftware ein, mit der nicht nur die Spendeneingänge, sondern auch die Spendenverwendung geprüft und abgesichert werden kann. So können bspw. mehrfach- Auszahlungen an einzelne Empfänger vermieden werden. Als Anbieter von Software zur Spendenverwaltung ist GRÜN übrigens mit über 1 Milliarde Euro abgewickeltem Spendenvolumen pro Jahr Marktführer in Deutschland und Österreich.

Wann ist der beste Zeitpunkt zum Spenden? Zu Beginn, oder später, wenn die Katastrophe medial nicht mehr so präsent ist?

Joachim Sina: Der beste Zeitpunkt zum Spenden ist immer. Besonders hoch ist die Spendenbereitschaft zu Weihnachten und im Katastrophenfall. Beides verständlich, insbesondere bei letztgenanntem Punkt: Die Menschen sehen im Katastrophenfall die Dringlichkeit − ein wichtiges Spendenmotiv. Je näher das Ereignis einen betrifft, thematisch oder räumlich, desto höher ist die Hilfsbereitschaft. Und wenn man dann spenden möchte, sollte man es sofort tun, und nicht warten. Noch besser ist es natürlich, grundsätzlich regelmäßig zu spenden, auch in Zeiten, in denen es keine Katastrophen gibt. So können sich Organisationen, die im Katastrophenfall helfen, vorbereiten und haben sofort finanzielle Mittel zur Verfügung, wenn sie benötigt werden.

Oftmals kommen in Katastrophenfällen mehr zweckgebundene Spenden zusammen, als genau an dieser Stelle benötigt werden. Ist das der Fall, muss die Organisation überschüssige Spenden zurücküberweisen oder die Spenderinnen und Spender fragen, ob sie die Spende auch an anderer Stelle einsetzen darf. Das ist ein enormer Aufwand, wie man sich vorstellen kann. Deshalb: Wenn Spende direkt nach einer Katastrophe, am besten ohne Zweckbindung. Und am besten Dauerspende. Die hilft auch noch, wenn die Katastrophe aus den Medien verschwunden ist, aber noch lange nicht zu Ende ist.

Versicherer stehen beim Thema Spenden vor einem Dilemma. Sie sollen ja primär den Kunden bei der Schadenregulierung helfen. Wenn es da zu Störungen kommt, weil z. B. kein Versicherungsschutz besteht, kann eine Spende schnell zum medialen Bumerang werden, nach dem Motto: Großzügig spenden, aber kleinlich regulieren. Wie sehen Sie dieses Thema?

Joachim Sina: Ich sehe hier kein wirkliches Dilemma. Die schnelle Schadensregulierung ist natürlich bei einer Katastrophe wie der aktuellen ganz elementar. Trotzdem liegt es in der Natur der Sache, dass die Versicherer nicht alle Schäden regulieren können, allein schon deshalb, weil nicht alle versichert sind. Wie jedes Unternehmen hat auch eine Versicherungsgesellschaft eine gesellschaftliche Verantwortung, der sie mit einer Spende im Katastrophenfall zusätzlich gerecht werden kann. Solche Unternehmensspenden sind etwas in sich ganz Positives und sollten nicht gegen die Regulierungspraxis ausgespielt werden.

Was raten Sie Unternehmen, die Ihre Mitarbeiter und Kunden gerne motivieren wollen, sich zu engagieren bzw. zu spenden. Gibt es hier Unterstützung von externer Stelle?

Joachim Sina: Ja, natürlich bieten wir hier professionelle Unterstützung an. Ich rate Unternehmen generell dazu, gegenüber der Belegschaft mit gutem Beispiel voranzugehen und sich ebenfalls zu engagieren. Das kann bspw. über einen sog. „Matching Fund“ geschehen, bei dem das Unternehmen jede Spende aus der Belegschaft verdoppelt. Es gibt aber ganz unterschiedliche Instrumente für Spendenprojekte oder -kampagnen mit der Zielgruppe Mitarbeiter. Deshalb ist es sinnvoll, sich hier beraten zu lassen bzw. ein professionelles Konzept zu entwickeln.

Wie bekommt man eine Spendenbescheinigung und was macht man damit?

Joachim Sina: Spenden an gemeinnützige Organisationen sind in Deutschland von der Steuer absetzbar. Die Spendenbescheinigung – häufig auch Spendenquittung oder Zuwendungsbestätigung genannt – benötigt man in der Regel, um die Spende bei der Steuererklärung gegenüber dem Finanzamt zu belegen. Meistens reicht dem Finanzamt bei einem Betrag von unter 300 Euro der jeweilige Kontoauszug als Beleg und es fordert nur für höhere Spenden eine Spendenbescheinigung an.

Die Organisation kann die Spendenbescheinigung ausstellen, sofern sie den Status der Gemeinnützigkeit hat. Jede Organisation hat ihr eigenes Vorgehen beim Versand der Spendenquittungen: Vor allem kleinere Organisationen erstellen oft direkt nach einer Spende eine Quittung und verschicken sie zusammen mit einem Dankbrief. Andere, vor allem größere Organisationen, wickeln den Versand der Spendenquittungen bevorzugt im Januar oder Februar des Folgejahres gesammelt für alle Spenden des vergangenen Jahres ab.

Auch hier spielt eine professionelle Spendenverwaltungssoftware eine wichtige Rolle. Manche verschicken sie dabei an alle Spenderinnen und Spender, gleich, welche Summe diese gespendet haben, manche beginnen bei einem Betrag von 200 Euro. Wer eine Spendenquittung benötigt, sollte sich bei der Organisation darüber informieren, wann und wie er diese bekommen kann und sich, falls möglich, an deren Prozedere halten. Wer „außer der Reihe“ eine Spendenquittung einzeln anfordert, obwohl die Organisation den Versand gesammelt im Folgejahr abwickelt, verursacht Verwaltungskosten.

Eine Ausnahme ist es natürlich, wenn der Versand zu spät für die Steuererklärung erfolgen würde oder wenn man die Quittung aus irgendwelchen Gründen sofort benötigt.


Das Interview entstand in Kooperation mit der Ratingagentur Assekurata.

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