In der Vorweihnachtszeit werden viele Haushalte häufig mit Mailings bombardiert – teils mit seriösen, oft aber eben auch mit unseriösen. Doch wie kann man diese beiden voneinander unterscheiden und wie gelingt das eigene Mailing?
Spenden Sie hier, spenden Sie da – ach, wissen Sie was? Spenden Sie doch am besten überall! Und das reichlich!
In der Zeit des Gebens werden nichtsahnende Advents-Enthusiasten oft von einer Flut an Mailings von allen möglichen Organisationen überrollt und wissen kaum, wie ihnen geschieht. Viele Absender nutzen die großzügige Stimmung der entschleunigten Zeit am Ende des Jahres aus, um mit mehr oder weniger ehrenvollen Absichten das (hoffentlich) große Geld abzugreifen. Wieder andere wollen tatsächlich helfen. Wie man das eine oder das andere erkennt und was man als FundraiserIn daraus lernen kann, haben sich unsere ProjektleiterInnen Friederike Hofmann, Frank Geuenich und Melanie Koch mal für Sie angeschaut.
Not zeigen im Weihnachtsmailing – to do or not to do?
Tatsächlich gibt es so einige formale und inhaltliche Gestaltungspunkte, an denen man selbst mit einem in Sachen Fundraising ungeschulten Auge festmachen kann, dass man es mit einem eher zwielichtigen Mailing zu tun hat. Einen großen Teil macht bereits der Sprachgebrauch aus. „Unseriöse Weihnachtsmailings erkennt man daran, dass sie eine inadäquate, übersteigerte Sprache nutzen, die darauf abzielt, den Adressaten unter Druck zu setzen. Nach dem Motto: ‚Ihnen geht es doch gut, aber die armen Kinder in Burkina Faso…‘“, gibt uns Frank Geuenich ein gutes Beispiel.
Damit spricht er gleichzeitig einen weiteren wichtigen Punkt an: Mailings, die darauf ausgelegt sind, die potenziellen Spender unter Druck zu setzen. Als FundraiserIn sollte man sich selbst bei der Gestaltung sämtlichen Materials immer wieder vor Augen führen, dass Spenden vollkommen freiwillig sind und ein Ausüben von Druck fehl am Platz ist. „Als Fundraiserin möchte ich Spendern zeigen, wie sie helfen und die Not lindern können. Ich zeige ihnen Chancen, sich positiv zu beteiligen. Aber ich mache sie nicht dafür verantwortlich, dass die Welt bleibt, wie sie ist, wenn sie nicht spenden“, bringt es Melanie Koch auf den Punkt.
„Gerade zur Weihnachtszeit wird die christliche Ethik, die den meisten Menschen trotz Kirchenferne immer noch sehr wichtig ist, ausgenutzt, um beim Adressaten ein schlechtes Gewissen zu erzeugen, das er dann durch eine Spende beruhigen kann“, teilt uns Geuenich mit.
Ab wann die Darstellung der Not „zu viel“ wird
Schon im ersten Artikel unseres Grundgesetzes steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist – und das gilt auch beim Spendensammeln (oder sollte es zumindest). „Bilder von Kindern mit Hungerbäuchen und Fliegen im Auge, das gibt es tatsächlich immer noch“, verrät Friederike Hofmann.
Dass Personen, deren herabwürdigende Bilder auf diese Art und Weise um die Welt gehen, das vermutlich nicht gutheißen, sagt uns schon der gesunde Menschenverstand. Deswegen rät Koch FundraiserInnen, sich vor der Texterstellung die folgende Frage zu stellen: „Würde ich wollen, dass ich oder meine Familie und Freunde so gezeigt würden? Das beantwortet mir, ob ich einen fremden Menschen so zeigen möchte.“ Lautet die Antwort Nein, sollte man davon lieber die Finger lassen.
Grundsätzlich ist es immer ratsam, darauf zu achten, es mit der dargestellten Not nicht zu übertreiben. Seien es die bereits genannten verhärmten Kinder oder anderes mitleidserregendes Bildmaterial mit Handlungsaufforderungen, die ein schlechtes Gewissen einreden sollen, wenn man nicht spendet: Respektloser Umgang mit den Hilfesuchenden ist ein absolutes No-Go.
„Wenn es um Menschen in Not geht, ist es wichtig, sie nicht als Opfer darzustellen, nicht als Objekt unserer Wohlstands-Sensationslust“, stellt Hofmann klar. „Die Fundraiser haben, aus meiner Sicht, die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass potentielle Spender den Menschen in Not auf Augenhöhe begegnen; nicht mit Mitleid ‚von oben herab‘, sondern mit Empathie.“
Wenn’s gut werden soll: Ehrlichkeit gewinnt den Preis
Unsere ProjektleiterInnen sind sich absolut einig: Das A und O jedes Mailings ist Authentizität. Wenn die Organisation ganz transparent über die für sie wichtigen Themen, bei denen man als SpenderIn wirklich helfen kann, berichtet, dann ist das schon die halbe Miete.
Wenn man seine Inhalte dann auch noch auf eine (menschen-)freundliche und vor allem verständliche Art und Weise verpackt, muss man sich um den Rest der Miete vermutlich auch schon keine Sorgen mehr machen.
Regelmäßiges Ansprechen auf verschiedenen Kommunikationskanälen, die zur Organisation und ihrer Zielgruppe passen, ist, gerade im Zusammenhang mit der Spenderbindung, ebenfalls eine gute Idee. Wenn der Handwerkskoffer voller erfolgreicher Instrumente nämlich einmal gepackt ist, können diese immer wieder abgestaubt und erneut genutzt werden.
Viele Organisationen machen sich dabei Sorgen, dass sie mit ihren Spendenbitten lästigfallen. Hofmann findet aber: „Die Organisation informiert ihren Freundeskreis über das gemeinsame Anliegen. So etwas kann man eigentlich nicht häufig genug machen, oder? Von Freunden und Geschichten, die mir wichtig sind, möchte ich schon einmal im Quartal hören – gern auch häufiger.“
Wo Schönes drauf ist, ist auch Schönes drin
Nicht nur der Inhalt des Mailings spielt eine Rolle; schon der Umschlag muss überzeugen, denn sonst landet er vermutlich samt wunderbar gestaltetem Layout und perfekt leserlichem Text direkt im Papiermüll. Deswegen sollte der Umschlag schön gestaltet oder mit einem Teaser versehen sein, der neugierig auf den Inhalt macht.
Was den Text angeht, so sollte er natürlich gut gegliedert sein und durch Überschriften, Zwischenüberschriften, Bilder und andere grafische Elemente unterstützt werden. „Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass man den Lesefluss der Leser unterstützt und ihn nicht überfordert: nicht zu lange Texte, Überschriften einbauen, Bilder und Aufzählungspunkte einsetzen, ein oder zwei klare Handlungsimpulse“, rät Melanie Koch. „Es geht nicht um einen Design-Award, sondern darum, ein Anliegen zu transportieren.“
Tipps für FundraiserInnen: Spicken, fragen, machen!
Wenn man ein Mailing in Angriff nimmt, ist es immer sinnvoll, sich im Vorhinein einige Mailings der Konkurrenz anzuschauen. Findet man Beispiele, die einem gefallen, kann man sich von diesen zu neuen Ideen für die eigene Organisation inspirieren lassen. „Ohne die Zahlen dahinter zu kennen, kann man natürlich keine Rückschlüsse auf den Erfolg ziehen“, merkt Koch an, „Aber es ist immer gut, Anregungen und Ideen zu bekommen.“
Auch eine Überlegung wert ist es, Laien nach ihren ungefilterten Meinungen zu Mailings zu fragen. Hierzu muss Friederike Hofmann allerdings eingestehen: „Das ist meistens sehr ernüchternd, ehrlich gesagt. Die vielen, vielen Details, mit denen wir uns monatelang beschäftigten, kommen häufig bei den Spendern gar nicht so an. Jedenfalls nicht bewusst. Unbewusst – da bin ich sicher – spielen sie schon eine große Rolle.“ Und lernen kann man dabei definitiv etwas!
Außerdem verrät uns Hofmann: „Meine wichtigsten Learnings ziehe ich aus den Weihnachtsmailings, die wir selbst für unsere Kunden gemacht haben – beziehungsweise aus den Reaktionen der Spender darauf.“ Es gilt also hauptsächlich der gute alte Grundsatz „Learning by doing“.
Unser persönliches Worst-Of
„Meine Mutter hatte mal ein Mailing im Briefkasten, in dem die Notwendigkeit beschrieben wurde, unbedingt noch im laufenden Winter mit dem Bau von Unterkünften für Obdachlose in einem osteuropäischen Land zu beginnen“, beginnt Frank Geuenich seine Anekdote zu einem unseriösen Weihnachtsmailing, „Gleichzeitig wurde betont, dass dort im Winter fast ausnahmslos Temperaturen von 20 oder 30 Grad unter Null herrschen würden. Das war natürlich eine maßlose Übertreibung, doch wenn die Angabe gestimmt hätte, hätte man nicht mit Bauarbeiten beginnen können – das weiß jeder, der sich ein bisschen mit Baumaterialien auskennt…“
Auch Hofmann erinnert sich an Schlimmes. Ihr als eingefleischter Texterin rollen sich die Fußnägel hoch, wenn Mailings schlicht und einfach schlecht formuliert sind. „Neulich hatte ich so eines, da hat die Organisation im ersten Satz ein Problem aufgemacht und im zweiten Satz direkt erklärt: Ist eben so, kann man nichts machen“, erzählt sie mit einem Schaudern. Gerade dann, wenn die eigenen Kunden bei der textlichen Gestaltung patzen, sie aber nicht eingreifen darf, tut es ihr besonders weh. „Das ist wie früher beim Tanztee, wenn dein Schwarm mit einer anderen tanzt – und die ist dann auch noch grottenschlecht.“
Viel zu beachten, viel zu gewinnen
Sie merken, Weihnachtsmailing ist nicht gleich Weihnachtsmailing. Wie in vielen anderen Bereichen gibt es auch hier schwarze Schafe – wir hoffen jedoch, dass diese in Zukunft wenigstens leiser blöken und denen, die wirklich und ehrlich helfen wollen, genug Platz im Scheinwerferlicht lassen.