PHINEO – Expertin Linda Gugelfuß im Interview
Es ist offensichtlich, dass bei Naturkatastrophen oder in Kriegsgebieten schnelle Hilfe notwendig ist und die Spenden fließen bei Hilfsaufrufen meist zügig. Doch ebenso wichtig kann Präventions- und Friedensarbeit sein – zur Vermeidung von Krisen und Katastrophen. Durch eine Wirkungsanalyse kann man die Effizienz solcher präventiven Maßnahmen darstellen. Allerdings ist es schwieriger, dafür Spenden zu gewinnen.
Wir haben mit Linda Gugelfuß, Leitung Großspendenberatung, Organisationsentwicklung und Wirkungsanalyse bei PHINEO, darüber gesprochen, ob und wie man die Wirkung von Friedensarbeit messen kann und wie Organisationen Menschen von der Investition in diese überzeugen können.
GRÜN alpha (GAL): In der Teamübersicht der PHINEO-Website steht, Sie leiten „die Großspendenberatung und alles, was mit Wirkungsanalyse, NPOs und der Wohlfahrt zu tun hat.“ Wie dürfen wir uns Ihren Arbeitsalltag vorstellen? Wie sieht eine typische Anfrage aus, um die Sie sich kümmern?
Linda Gugelfuß (LG): Mein Arbeitsalltag ist vielfältig und abwechslungsreich, einen typischen Tag oder eine typische Anfrage gibt es nicht. Es geht immer wieder darum, neue Förderinitiativen zu begleiten, in die Arbeit von Non Profits einzutauchen und beide Seiten zusammenzubringen. Ich spreche regelmäßig mit Philanthrop:innen, Stiftungen und anderen Förderpartner:innen, bestenfalls entwickeln wir gemeinsam eine Strategie. Ich schätze es sehr, in meinem Team mit vielen klugen und engagierten Menschen in einem dynamischen Umfeld zusammenarbeiten zu dürfen.
GAL: Viele Menschen engagieren sich erst, wenn die Katastrophe schon da ist. Ist das einfach die menschliche Psychologie? Oder kann man daran mit Wirkungsanalysen etwas ändern?
LG: Oft braucht es einen konkreten Grund, um aktiv zu werden, das ist zutiefst menschlich. Es ist eine Art der Anteilnahme, die sagt: „Das, was gerade passiert, ist mir nicht egal – ich will etwas ändern, ich will helfen“. Wichtig ist es auch, die drängenden Fragen der Zeit vorbeugend anzugehen. Wirkungsorientierung stellt die angestrebte positive Veränderung in den Mittelpunkt und gibt Hinweise, wie diese zu erreichen ist. Wirkungsanalysen können den Weg zeigen, wie man die Welt wirksam zum Besseren verändern kann.
Wirkungspotential: wichtiger Dreiklang
GAL: Welche Kriterien und Daten sind für eine gute Wirkungsanalyse wichtig?
LG: Die Wirkungsanalyse gemeinnütziger Arbeit ist sehr komplex. Es geht nicht ohne eine gründliche Themenfeldanalyse und die Auswertung unzähliger Daten. Beim Wirkungspotenzial eines Projekts ist uns immer der Dreiklang wichtig aus „Ziele und Zielgruppen“ (Werden die Herausforderungen der Zielgruppen erkannt und bedient?), „Ansatz und Konzept“ (das beinhaltet den Lösungsweg und eine Umfeldanalyse) und „Resultate und Erhebungsmethoden“ (Was hat das Projekt erreicht und wie?).
GAL: Und welche spielen eine Rolle, wenn ich mein Präventionsprojekt in Sachen Wirkung optimieren möchte?
LG: Organisationen fangen selten bei null an, deshalb empfehle ich zuerst eine Bestandsaufnahme und dann die zielgerichtete Weiterentwicklung. Wir betrachten grundsätzlich alle genannten Kriterien und ich bin überzeugt, dass darin die Antwort für erfolgreiche Projektarbeit liegt. Das Beschäftigen mit der eigenen Wirkung ist ein Prozess und der Weg variiert je nach Thema und Ansatz. Es macht durchaus einen Unterschied, ob es sich um ein Präventionsprojekt in Sachen Klima handelt oder um präventive Bildungsmaßnahmen für Kinder.
GAL: Wie kann man zeigen, welchen positiven Effekt beispielsweise die Arbeit von Organisationen hat, die internationale Jugendaustauschprogramme organisieren?
LG: Bei solchen Programmen geht es meist darum, positive Einstellungen gegenüber anderen Kulturen und Religionen zu entwickeln. Ein reiner Wissenszuwachs lässt sich mit Vor- und Nachbefragungen der Teilnehmenden erfassen.
Interessant ist aber, ob diese Programme nachhaltige Veränderungen anstoßen. Im Laufe der Zeit beeinflussen auch viele andere Faktoren das Bewusstsein der ehemaligen Teilnehmenden. Wirkung und Wirkungsanalyse müssen also nicht immer auf ein spezifisches Programm bezogen sein. Warum tun sich nicht einmal alle Träger internationaler Austauschprogramme zusammen, einigen sich auf drei Punkte, die sie herausfinden wollen und machen gemeinsam eine Analyse? Ich bin mir der Unwägbarkeiten eines solchen Vorschlages aber durchaus bewusst.
GAL: Kann man messen, ob beispielsweise Konflikte durch entsprechende Präventionsarbeit verhindert werden konnten?
LG: Mit ausreichend Ressourcen kann prinzipiell alles erfasst werden, jedenfalls annähernd. Es stellt sich nur die Frage, ob Aufwand und Nutzen in angemessenem Verhältnis stehen. Zumal es schwierig ist Dinge zu erfassen, zum Beispiel Konflikte, die nicht stattgefunden haben. Dann müssen andere Indikatoren zur Konfliktfähigkeit herangezogen werden, zum Beispiel die Güte von zwischenmenschlichen Beziehungen oder die Art und Weise der Beziehungen zwischen den Akteur:innen. Meine Erkenntnis: Das Leben ist vielschichtig und komplex und wir müssen anerkennen, dass sich nicht alles, was es auf dieser Welt gibt, in Zahlen festhalten lässt.
GAL: Haben Sie andere Beispiele für Präventionsarbeit, deren Qualität und Wirkung Sie konkret messen konnten?
LG: Wir sind kein Evaluationshaus, das heißt, wir „messen“ nicht im engeren Sinne. Unser Hauptaugenmerk liegt auf der Analyse. Der Datenerhebung schließt sich ein Auswertungsprozess an, die Ergebnisse werden interpretiert und diskutiert. Das ist der Ausgangspunkt für Lernen und Weiterentwickeln von Projekten und trägt dazu bei, das zentrale Anliegen der Arbeit von NPOs ins Zentrum zu rücken, und das sind die positiven Veränderungen, die sie bei ihren Zielgruppen erreichen wollen.
Präventionsarbeit in NGOs
GAL: Wie können Non-Profit-Organisationen ihre Zielgruppen von der Botschaft „In Prävention investieren“ überzeugen?
LG: Mit Geduld. Und natürlich mit inhaltlichen Argumenten. Ob Waldbrände in Australien oder Hochwasser an der Ahr: In akuten Situationen muss geholfen werden. Wichtig ist aber, dass wir dem Klimawandel entgegenwirken, bevor eine Katastrophe eintritt.
Leider ist der Zusammenhang zwischen präventiver Maßnahme und Wirkung meist nicht so offensichtlich. Gerade dann, wenn nichts passiert, hat man sein Ziel erreicht, aber das ist schwer zu erfassen. Präventionsprojekte sind aus meiner Sicht eher etwas für die fortgeschrittenen Spender:innen, also Unterstützter:innen, die eine Organisation oder ein Projekt schon kennen oder ein vertieftes Verständnis für ein Themenfeld mitbringen.
GAL: Eine potenzielle Großspenderin möchte ihr Geld möglichst effektiv einsetzen und fragt Sie, ob sie lieber für die Aufforstung des Regenwaldes spenden soll oder in ein Unternehmen investieren, das großflächige Rodungen bei der Produktion vermeidet. Was antworten Sie?
LG: Wir empfehlen das Fördern mit Herz und Verstand. Das eigene Engagement soll sich richtig und gut anfühlen. Wichtig ist aber auch der konkrete Bedarf. Ist in einer Region Regenwald vorhanden, geht es wohl eher darum, Rodungen zu verhindern. Wo der Regenwald längst abgeholzt ist, muss aufgeforstet werden. Man sollte auch schauen, was andere in der Region bereits leisten. Und dann braucht es einen Blick auf die Projekte selbst. Sind sie leistungsfähig und wirkungsorientiert? Kennen sie ihre Ziele und Zielgruppen? Haben sie Organisationsstrukturen, um geeignete Maßnahmen umzusetzen?
Alles in allem sehr komplex, deshalb würde ich die potenzielle Großspenderin zu einem vertieften Gespräch einladen, gern auf einen Kaffee. Dann würde ich auch gleich berichten, dass wir demnächst ein Themendossier zum SDG 13 (nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz) rausbringen. Wir beschäftigen uns gerade intensiv mit konkreten Bedarfen und wirkungsorientierten Organisationen, ab Herbst 2022 können wir der Großspenderin dazu sehr fundierte Empfehlungen geben. Sicher sind auch einige großartige Klima-Präventionsprojekte dabei.
Quelle: FUNDStücke 2-22