FUNDStücke

Eine Pandemie schreibt Geschichte : Ob Groß oder klein, Veränderung im Fundraising

Covid-19 – 2020 war herausfordernd.

Vom einen auf den anderen Tag stand das Leben vieler Menschen Kopf. Trotz Lockdowns und sozialer Distanz: Gemeinnützige Organisationen, egal ob groß oder klein, mussten und wollten schnell reagieren. Kontakte zu den Spender*innen durften nicht abbrechen, Zuwendungen für wohltätige Zwecke nicht versiegen. Wie haben sie diese Situation gemeistert? Gibt es Unterschiede zwischen großen und kleinen Organisationen, wenn es um Veränderungsprozesse geht? Wir haben mit drei Verantwortlichen aus unterschiedlichen Spendenorganisationen gesprochen, die ihre Eindrücke mit uns geteilt haben.

„Für mich bedeutet Veränderung auch immer ‚Aufbruch‘ und eine Chance, dass sich etwas verbessert“, erklärt Rebekka Massoth. Die Leiterin des Teams für Großspenden- und Engagementberatung der Christoffel-Blindenmission musste, genau wie andere Verantwortliche in gemeinnützigen Organisationen, 2020 auf vollkommen neue Bedingungen reagieren. Es stellten sich viele Fragen, auf die es zügig Antworten brauchte: Wie werden Arbeitsabläufe und die Zusammenarbeit ab sofort ausschließlich virtuell organisiert? Auf welche Art und Weise können Spender*innen trotz Kontaktbeschränkungen gewonnen und gehalten werden?
Und welche Lösungen bieten sich für diese Herausforderungen überhaupt an? Auch Bruder Antonius von der Benediktinerabtei Kornelimünster hat einen bleibenden Eindruck von dieser rasanten Entwicklung behalten: „In der Kirche hat sich innerhalb der
letzten zehn Jahre einiges geändert. Aber so schnell wie letztes Jahr habe ich noch keinen Veränderungsprozess miterlebt.“

Ganz schnell wurde alles anders

Viele Menschen in Deutschland und auf der Welt hat die Geschwindigkeit der Pandemie und ihrer Gegenmaßnahmen überfallen. Doch Zeit für perplexes Staunen oder allzu große Furcht blieb unseren drei Ansprechpartner*innen nicht: „Wir mussten einen katalysierenden Sprung Richtung Digitalisierung wagen, und das in zwei Bereichen“, so Ricarda Raths, Fundraising Director beim WWF Deutschland. „Zum einen ging es um unsere interne Organisation. Die Arbeit von zu Hause benötigte neue Abläufe und Routinen. Zum anderen mussten wir die digitale Betreuung unserer Spender*innen schneller in die Wege leiten“, beschreibt sie die beiden Seiten der Handlungsfelder, die sie gleichzeitig bespielen musste. „Zum Glück hatten wir als internationale Organisation die technischen Mittel, um unsere Ideen umzusetzen. So haben wir zügig Online-Podiumsdiskussionen ins Leben gerufen und via Internet unsere Spender*innen dazu eingeladen, zusammen mit uns die Kolleg*innen in Afrika zu besuchen. Über 21 000 Zuschauer haben sich bislang unsere Web-Video-Talks angeschaut, 10 000 Menschen waren im Schnitt live dabei.“

Rebekka Massoth berichtet: „Es ging darum, unsere Großspender*innen trotz der Kontaktbeschränkungen persönlich auf dem Laufenden zu halten. Viele von ihnen hatten bis dahin wenig bis keine Erfahrung mit Onlineformaten oder sind nach einem langen Arbeitstag des Bildschirms müde. Also mussten spannende Konzepte her. In unseren Webinaren berichten Kolleg*innen direkt aus den Projektländern, wie die CBM-Arbeit auch während der Pandemie vorangeht – was sehr gut aufgenommen wurde und wird.“ Auch Bruder Antonius Kuckhoff fand mit seinen Mitbrüdern schnell einen Weg, sich online an die Zielgruppen der Abtei zu wenden, indem Gottesdienste gestreamt und Bibelkurse per Video abgehalten wurden: „Innerhalb einer Woche waren wir uns einig, dass wir diesen Weg gehen möchten, neben den klassischen Telefonaten, durch die wir den Kontakt zu Spender*innen aufrechthielten.“ Aber sind solche Online Gottesdienste nicht befremdlich, wenn man weiß, dass mehrere hundert Menschen per Stream zuschauen? „Nicht wirklich“, entgegnet er freundlich. „Die Menschen kennen den Ort, an dem wir feiern, sie kennen unsere Liturgie. Die Veränderungen sind also weniger stark, als es auf den ersten Blick scheint.“

Ähnliche Herausforderungen, unterschiedliche Voraussetzungen

Veränderungen haben zwei Seiten, wie Bruder Antonius beschreibt: „Es gibt Veränderungen von außen, wie die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, und es gibt solche von innen, wie unsere eigene Reaktion auf ebendiese Maßnahmen.“ Veränderungen von innen sind immer durch eigene Strukturen und Voraussetzungen geprägt, und die sind überall anders: „Große Organisationen verfügen oft über umfangreichere finanzielle und personelle Ressourcen, um einen inneren Veränderungsprozess voranzutreiben. Ich bin sehr dankbar, dass die CBM die richtigen Voraussetzungen geschaffen hat und wir dadurch schon vor dem Lockdown digital aus dem Homeoffice arbeiten konnten“, beschreibt es Rebekka Massoth. Ricarda Raths schließt sich an: „Auch die Teamgrößen sind ein Vorteil. Aufgaben und Verantwortlichkeiten sind schon geklärt und Herausforderungen können umfassend angegangen werden. Wir konnten einfach unsere Büroräume verlassen, uns etwas sortieren und weiterarbeiten; dank der guten digitalen Voraussetzungen.“

Es mag nun so klingen, als wäre eine Organisation besser auf Veränderungsprozesse vorbereitet und könnte sie besser umsetzen, je größer sie ist. Doch die Erfahrungen unserer Gesprächspartner*innen sind differenzierter: „Durch komplexe Strukturen können Kommunikations- und Entscheidungswege lang und intransparent werden“, so Rebekka Massoth. Diese Problematik sieht auch Ricarda Raths bei ihrer Arbeit: „Es ist eine umfangreiche Aufgabe für Organisationen wie den WWF, die Teams und Projekte zu koordinieren. Das kann sehr schwerfällig werden, wenn die Wege nicht mehr kurz sind. ‚Groß sein‘ birgt also bei allen strukturellen Vorteilen sicherlich auch Nachteile.“ In der Abtei Kornelimünster sieht es genau anders aus: „Wir müssen natürlich gut haushalten und können und wollen uns keine teuren Fundraising-Experimente leisten. Aber innerhalb der Abtei sind die Runden klein, eingespielt und die Wege kurz. Wir haben also nicht das Problem langer Kommunikationsstrecken und können zügig Entscheidungen treffen“, erklärt er die Vorteile seiner kleinen Gemeinschaft. „Außerdem sind wir durch unsere lokale Struktur in engem Kontakt mit unseren Spenderinnen und Spendern, auf deren Feedback wir persönlich und schnell eingehen können.“

Am Ende zählt der Spirit

Veränderungsmanagement auf innere Strukturen und Ressourcen zu reduzieren greift zu kurz. „Wichtig sind ein gewisses Maß an Flexibilität und die Bereitschaft, angemessen auf Situationen zu reagieren“, bemerkt Bruder Antonius Kuckhoff. Ricarda Raths schließt sich dem an: „Grundsätzlich sind Veränderungen nicht von Größenordnungen abhängig. Kultur und Struktur einer Organisation sind Voraussetzungen für Innovation und Beweglichkeit. Es sind die Menschen, die am Ende den Unterschied machen.“ Ohne den richtigen „Spirit“, Herausforderungen anzunehmen und die Situation zu gestalten, ist ein Veränderungsprozess kaum nachhaltig umzusetzen.

Ricarda Raths erzählt, dass der WWF zu Beginn der Pandemie „in einem ersten Schreckmoment“ nur auf die Rahmenbedingungen der Politik reagiert hat: „Wir arbeiteten eher mit dem Spirit von Start-up Unternehmen und sämtliche Neuerungen hatten einen abenteuerlichen Touch. Später haben wir die Einbindung unserer Peopleand-Culture-Abteilung organisiert. Nachdem sich alle ihr digitales Arbeitsumfeld geschaffen hatten, standen wir vor den Fragen, die aufkamen und eine bleibende Änderung in der neuen Arbeitswelt forderten. Es hieß für uns, Antworten zu finden, wie wir den bereits eingeleiteten Kulturwandel für agile Arbeitsmethoden mit digitalen Formaten verbinden, rechtliche Rahmenbedingungen für Homeoffice schaffen und einen nachhaltigen Change-Prozess durchführen.“ Mit dem Ergebnis ist sie zufrieden: Der WWF hatte am Ende des Jahres viel gelernt, um die Neuerungen zu erhalten. Auch bei der CBM haben die Mitarbeiter*innen den Wandel positiv mitgetragen. „Gemeinsam mit meinem Team wollte ich als Führungskraft die Umstellung auf das virtuelle Arbeiten sowohl intern mit Kolleg*innen als auch extern mit Großspender*innen möglichst effizient und dennoch sehr persönlich gestalten. Und das haben wir geschafft“, berichtet Rebekka Massoth.

Das ist die beschriebene innere Einstellung, die den Unterschied machen kann. Der Veränderungsprozess im Schnelldurchlauf war anstrengend, aber lehrreich. „Für mich haben sich Besonnenheit und Toleranz als gutes Fundament bewiesen. Dadurch haben wir digitale Führung, digitales Fundraising und digitale Investitionen aufgebaut. Und der Blick in die Geschichte hat uns geholfen, in die Zukunft zu investieren“, erklärt Ricarda Raths ihre Lehren aus dem Jahr 2020. Rebekka Massoth freut sich über die Innovationskraft in ihrem Team: „Ich bin begeistert darüber, wie wir zusammengehalten und uns unterstützt haben, um trotz der Einschränkungen und veränderten Rahmenbedingungen viele neue Ideen zu entwickeln und auszuprobieren.“ Den Schlusspunkt setzt Bruder Antonius Kuckhoff, als er seinen Blick auf die Veränderungen und Entwicklungen des vergangenen Jahres richtet: „Für mich bewahrheitet sich die Benediktsregel: ,Wenn du etwas Gutes beginnst, bestürme ihn beharrlich im Gebet, er möge es vollenden.‘ Also: Sei mutig, etwas anzupacken und vertraue darauf, dass es ein gutes Ende f21inden wird.

Im Gespräch:

Br. Antonius Kuckhoff OSB,
Benediktinergemeinschaft der
Abtei Kornelimünster, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit

Rebekka Massoth, Teamleiterin
Großspenden- und Engagementberatung der CBM
Christoffel-Blindenmission

Ricarda Raths, Director
Fundraising und Services
WWF Deutschland

FUNDStücke 2021-01

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