Sie ist Krankenschwester, Mutter, Sozialwirtin, Öffentlichkeitsarbeiterin, Trauerbegleiterin,
Buchautorin, ehrenamtlicher Vorstand, Bloggerin – und Fundraiserin. Und das mit Herz und
Seele. Wir haben mit Nicole Friederichsen gesprochen, die für das Fundraising im Hospiz Luise
Hannover teilverantwortlich ist.
So viele Tätigkeiten auf einmal, und dann auch noch reaktionsschnell? Es vergehen exakt 15 Minuten zwischen der Anfrage für dieses Gespräch und der Zusage. „Super gerne!“, steht in der E-Mail von Nicole Friederichsen. Und das mitten im Advent, wo alle Fundraiser*innen bis zum Hals in Arbeit stecken. Die Redaktion ist schon beeindruckt, bevor das Zoom-Gespräch beginnt. Der Termin ist ebenfalls schnell gefunden und pünktlich wie die Feuerwehr erscheint eine fröhliche und aufgeschlossene Frau auf dem Bildschirm. „Einen schönen Hintergrund haben Sie da“, eröffnet sie das Gespräch und zeigt auf das Rollup im Redaktions-Homeoffice. Wenn jemals Eis da gewesen wäre, spätestens jetzt wäre es gebrochen.
Krankenschwester für immer
Als Krankenschwester im Hospiz arbeiten und gleichzeitig Fundraising und Öffentlichkeitsarbeit machen – wie geht das? „Ich habe ja einen zweigeteilten Job im Hospiz“, erklärt Nicole Friederichsen. „Ich bin zum einen Krankenschwester mit einem gewissen Stundenanteil und zum anderen bin ich seit Januar 2020 in der Öffentlichkeitsarbeit angestellt. Es gibt wenig Hospize, die solche
Stellen überhaupt haben, aber mein Chef hat sich darauf eingelassen.“ Das Jahresende brachte jedoch eine tiefgreifende Änderung mit sich: Am 24. Dezember 2020 hatte Nicole Friederichsen ihren letzten Dienst als Krankenschwester. „Spätdienst an Heiligabend“, lächelt sie, „das macht mir nichts aus. Das kenne ich seit meiner Jugend, weil meine Mutter auch im Schichtdienst gearbeitet hat.“
Trotzdem: Schon Anfang 2020 hat sie entschieden, sich auf ihre Tätigkeit als Fundraiserin zu konzentrieren und nicht mehr als Krankenschwester zu arbeiten – 25 Jahre nach ihrem Examen. Warum? „Hospiz- und Trauerarbeit, das sind meine Herzthemen“, sagt die 47-Jährige nachdenklich. „Ich bin ja auch im Bundesverband Trauerbegleitung geschäftsführendes Vorstandsmitglied. Aber ich glaube, dass ich auch im Fundraising viel bewirken kann. Wenn man im Hospiz als Krankenschwester arbeitet, dann ist das einfach viel Tod und Sterben. Und da muss man sich irgendwann im Leben auch mal eine Pause geben.“ Trotzdem bleibt sie ihren Wurzeln treu: „Krankenschwester bleibt man einfach. Im Sommer habe ich meine Schwiegermutter übergangsweise gepflegt und im Jahr davor meine eigene Mutter. Und wenn jemand krank ist in der Familie, dann werde ich auch angerufen. Krankenschwester bleibe ich für immer und das war ja auch immer meine Berufung.“
Ganz nach dem Motto: „Ich kann wunderbar Leute anquatschen.“
In Berührung mit Fundraising kam Nicole Friederichsen schon vor 15 Jahren. „Ich bin Sozialwirtin geworden und habe viel mit Fundraising und Marketing zu tun gehabt. Seitdem beschäftige ich mich mit dem Thema.“ Und es hat sie nicht mehr losgelassen: Im Rahmen privater ehrenamtlicher Tätigkeiten lernte sie das Spendensammeln in der Praxis. „Förderverein der Grundschule, Tombola und so – da fängt man ganz klein an. Und dann merkt man schnell, ob man das kann oder nicht. Ich kann wunderbar Leute anquatschen, da habe ich überhaupt keine Skrupel. Es ist manchmal nicht gut, mich zu kennen, wenn man irgendetwas Tolles kann …“ Sie lacht. Tatsächlich hat sich Nicole Friederichsen in den vergangenen Jahren über ihre fröhliche, entschlossene und verbindliche Art ein gut funktionierendes bundesweites Netzwerk aufgebaut, von dem ihre Projekte jetzt profitieren.
Freigeist
Das zeigte sich spätestens im Rahmen des 25-jährigen Jubiläums „ihres“ Hospizes Luise in Hannover, für das Nicole Friederichsen die Projektleitung übernommen hatte. Im November 2019 begann sie einen Blog1, mit dem sie das Jubiläum ein Jahr lang begleiten wollte – genau das richtige Instrument für das Lockdown-Jahr 2020. Bloß konnte das zu diesem Zeitpunkt noch niemand wissen.
„Das war mein Geschenk für das Hospiz Luise“, erzählt die Hannoveranerin. „Da wusste ich ja schon, dass ich ab 2020 in der Öffentlichkeitsarbeit und im Fundraising tätig sein würde. Ich wollte dem Hospiz etwas Eigenes schenken und meine Kontakte und Ideen nutzen.“ Die Betonung liegt dabei auf „etwas Eigenes“. Den Blog und die anderen Fundraisingmaßnahmen, die Nicole
Friederichsen zu diesem Zeitpunkt plante, verantwortete sie privat und allein. „Ich bin ein Freigeist“, begründet sie diese Entscheidung. „So waren die Inhalte in dem Blog meine Inhalte und ich musste sie nicht langwierig abstimmen. Ich habe meinem Chef gesagt, dass ich unterschiedliche Maßnahmen und Veranstaltungen plane und die Kostenverantwortung dafür selbst übernehme. Das Hospiz hat mir natürlich jegliche Unterstützung angeboten. Ich habe nur darum gebeten, dass im Blog-Impressum die Hospizadresse steht. Und so haben wir’s gemacht.“ Nicole Friederichsen berichtete in ihrem Blog über die Hospizarbeit und die Jubiläumsveranstaltungen, teilte ihre Gedanken und Gefühle, rief zum Spenden auf, verschickte Spendenschweinchen an wohlgesonnene Leser*innen („Schweinepat*innen“) und erreichte mit ihren ehrlichen, warmen und hoffnungsvollen Worten zahlreiche Menschen – auch als im Frühjahr 2020 die Coronakrise begann.
„Ich bin eher so stürmisch voran und spreche laut aus, was ich denke. Und manchmal gehen meine Energie und mein Spirit auf die anderen über, und dann passieren eben so schöne Sachen.“
Nur erzählt
Weil Nicole Friederichsen alle weiteren Veranstaltungen für das Hospiz-Jubiläum absagen musste, zog sie eine Aktion vor, die eigentlich für den Abschluss des Blogs geplant war: Sie schrieb mehr als 130 Menschen einen handschriftlichen Brief – Prominenten und weniger Prominenten, Künstler*innen, bekannten Persönlichkeiten aus Hannover, auch ganz normalen Alltagsmenschen.
„Ich habe in dem Brief eigentlich nur erzählt, wie es gerade bei uns ist. Ob Besuch kommen darf, dass wir Gartenkonzerte haben, dass das Leben auf der Terrasse stattfindet, dass wir uns nicht unterkriegen lassen wollen. Und dass ich es schön finden würde, wenn der Empfänger des Briefs uns ein kleines Bild malen würde, das wir dann zugunsten des Hospizes versteigern können.“
Im Umschlag waren auch eine kleine Leinwand und ein frankierter und adressierter Rückumschlag. „Ein zwei Seiten langer Brief“, schmunzelt Nicole Friederichsen. „Aus Sicht von Fundraiser*innen unzumutbar – wer will das alles lesen? Aber ich habe die Menschen eben auch persönlich angesprochen. Bei Eckart von Hirschhausen habe ich zum Beispiel geschrieben, dass es mir reichen würde,
wenn er mir seine rote Nase aufklebt und unterschreibt. Unpersönliche Briefe gehen mir als Fundraiserin wirklich auf die Nerven, die schmeiße ich meistens gleich weg. Das tut mir echt leid für die Menschen, die sich da stundenlang hingesetzt haben, aber man kann auch Briefe an sehr viele Menschen persönlich und schön gestalten. Muss ja nicht immer gleich handschriftlich sein.“ Der Erfolg gab ihr recht. Zahlreiche Bilder kamen zurück – von Udo Lindenberg, Toni Garrn, Lena MeyerLandrut, Eckart von Hirschhausen, von Kolleg*innen, Firmen, beruflichen Weggefährt*innen, auch von einer Patientin. Die Onlineversteigerung, für deren Kosten das
Hospiz aufkam, brachte 38 000 Euro Spendenerlös. „Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet“, freut sich Nicole Friederichsen. „Das lag bestimmt auch an dem Format der Stillen Auktion, das Sabrina Behm für uns durchgeführt hat. Die Leute geben verrückte Gebote ab,
wenn sie wissen, dass es niemand sieht.“
Ein Bogen übrig
Ihr Geschenk zum 25. Geburtstag des Hospizes Luise entwickelte sich insgesamt zu einem sehr bemerkenswerten Erfolg. Die Zahl der Leser*innen des Blogs, den Nicole Friederichsen über ihr privates Netzwerk verteilt hatte, war am Ende fünfstellig – neue Kontakte für
das Hospiz, in einer bis dahin schwer zu erreichenden jüngeren Zielgruppe. Insgesamt konnte Nicole Friederichsen rund 76 000 Euro an Sach- und Geldspenden verzeichnen – darüber hinaus zahllose Anknüpfungspunkte und weitere Aktionsideen, von denen das Hospiz auch 2021 noch profitiert. Wie erklärt sie sich diesen Erfolg? „Ich bin eher so stürmisch voran und spreche laut aus, was ich denke“, meint sie. „Und manchmal gehen meine Energie und mein Spirit auf die anderen über, und dann passieren eben so schöne Sachen. Es war einfach schön zu sehen, dass alle hinter dieser Sache standen: Mein Chef, die Kolleg*innen – es haben sich immer alle aus dem Hospiz gefreut, wenn ein neuer Blogeintrag kam.“ So konnte Nicole Friederichsen gut damit leben, dass ihr Jubiläumsprojekt sehr arbeitsintensiv war. „Das hat sich nicht von selbst gemacht“, gibt sie zu. „Aber ich möchte Fundraiser*innen aus anderen Institutionen Mut machen. Man kann solche Aktionen zusammen mit Ehrenamtlichen verwirklichen und muss nicht alles allein
erledigen. Ich hatte da nur einfach Lust drauf. Dieses Projekt war so ein bisschen mein Trost in Coronazeiten.“ Mit einer Mischung aus Kreativität, Herzblut, guter Organisation und beherztem Nutzen von Gelegenheiten hat Nicole Friederichsen die Rahmenbedingungen der Coronakrise also für ihr Hospiz Luise optimal genutzt. Es ist klar: Nicht nur wir von der FUNDStücke-Redaktion profitieren von ihrer Flexibilität und ihren schnellen Reaktionen. Was nimmt sie mit in die Zeit „nach Corona“? „Dass ich weiter so spontan und offen bleibe“, resümiert sie. „Und dass ich vertrauen kann: Irgendwie wird es schon.
Ich habe gelernt, dass man aus allem etwas machen kann. Aber so war ich, glaube ich, schon immer.“ Zum Ende des Zoom-Gesprächs hält Nicole Friederichsen noch einen nicht beschriebenen, vorbedruckten Briefbogen aus ihrer Leinwände-Aktion in die Kamera und zeigt die Fotos aus dem Hospiz, die darauf zu sehen sind. „Den Bogen brauche ich noch“, erklärt sie. „Jens Spahn hat uns Masken geschickt, darüber haben wir uns sehr gefreut. Da habe ich meinem Chef gesagt: Komm, ich habe noch einen Bogen Briefpapier, ich schreibe Herrn Spahn auch mal einen Brief.“ Wie schnell er wohl darauf reagieren wird?
Friederike Hofmann
FUNDStücke 2021-01