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Zeitinvestition statt reine Spende: Der Ansatz von Nancy Birkhölzer

„Profit muss nicht immer finanziell sein“ – Investorin Nancy Birkhölzer im Gespräch

Nancy Birkhölzer ist Unternehmerin durch und durch. Ihr Ziel es nachhaltige Geschäftsmodelle zu etablieren und zu fördern, die zu einem systematischen Wandel unserer Gesellschaft und zu einer nachhaltigeren Wirtschaft beitragen. Aus dieser Einstellung heraus entschied sich die mehrfache Unternehmensgründerin und Innovationsmanagerin für ein Engagement im Aufsichtsrat von gut.org gAG. Zudem lehrt sie an Hochschulen, coacht Gründer:innen und investiert in Start-ups. Wir haben mit ihr über ihren Umgang mit Social Investments gesprochen.

 

GRÜN alpha (GAL): Frau Birkhölzer, Sie sind Unternehmensgründerin und leiten, seit dem Verkauf Ihres Innovationsstudios IXDS vor anderthalob Jahren an PWC dort das Beratungsteam für nachhaltige Innovationen. Wie sind Sie zum „social investor“ bei gut.org geworden?

Nancy Birkhölzer (NaB): Ich komme aus dem Design- & Innovationsmanagement, interessiere mich für zukunftsweisende nachhaltige Prozesse, Produkte und Unternehmen. Vor drei Jahren wurde ich von Joana Breidenbach, Mitgründerin von Deutschlands größter Spendenplattform betterplace.org,

angesprochen, ob ich nicht in den Aufsichtsrat der Holding gut.org stoßen möchte. Ich fand es spannend, dort meine Innovationsperspektive einfließen zu lassen, aber habe auch von Anfang an gesagt: Ich kenne mich nicht aus mit Fundraising und interessiere mich weniger für Spenden als für tragfähige Geschäftsmodelle, die langfristig zu einer wünschenswerten Veränderung unserer Gesellschaft beitragen. Uns ist es gelungen die gut.org in den letzten Jahren bewusst weiterzuentwickeln und – mit dem gemeinsamen Ziel des „Social Impacts“ – in der Holding eine Vielzahl von Gesellschaften mit unterschiedlichen Geschäfts- und Finanzierungsmodellen zu etablieren. Die Gründung des Startups hinter project bcause ist die neuste dieser Gesellschaften.

 

GAL: Wie genau sieht Ihr Einsatz aus?

 

NaB: Meine Überzeugung ist, dass ich Projekte (ob gemeinnützig oder nicht) am besten unterstützen kann, wenn ich meine Fähigkeiten, meine Zeit, mein Netzwerk oder auch finanzielle Mittel so einbringe, dass damit etwas wachsen und entwickelt werden kann, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen.

Statt ausschließlich Geld zu spenden, investiere ich, wirke mit, bringe mein eigenes Know-how ein und trage somit dazu bei, das Projekt oder Unternehmen zu entwickeln. Bei einer reinen Spende unterstütze ich für den Moment zwar etwas Gutes, trage aber ggf. nicht dazu bei ein nachhaltig tragfähiges erfolgreiches Geschäftsmodell zu etablieren. Bei bcause habe mich mit einer finanziellen Gründungsinvestition eingebracht und unterstütze das Projekt zudem mit meinem Wissen in Design, User Experience & Innovationsmanagement. Mich hat es begeistert, wie das Team mit der Idee zu dieser Plattform in kurzer Zeit eine kommerzielle Seed Runde erfolgreich abschließen konnte und somit die Entwicklung des Projekts aus Mitteln privater Investoren gewährleistet ist. Genau wie meine Aufgabe im Aufsichtsrat der gut.org ist diese Zeitinvestition für mich nicht finanziell gewinnbringend, sondern auf inhaltlicher und persönlicher Ebene bereichernd. Ich bin dankbar mit Menschen wie Joana Breidenbach und Felix Oldenburg und auch den Teams der einzelnen Gesellschaften zusammenarbeiten zu dürfen.

 

GAL: Ihre Wortwahl zeigt die unterschiedlichen Perspektiven: Im Fundraising nennen wir das, was Sie als „Zeitinvestition“ bezeichnen, eine „Zeitspende“.

 

NaB: Ich habe immer den Drang, Dinge voranzutreiben, zu entwickeln, Gleichgesinnte zu finden und mit dem was ich tue maximale Wirkung zu erzielen. Das was ich persönlich dabei mitnehme muss nicht zwingend finanzieller Natur sein. Ich will sehen, dass sich eine Idee, an die ich glaube, entwickelt und stärker wird. Ich will mitgestalten und am Ende sehe ich eine Wirkung, die ich messen kann. Ich investiere meine Zeit (oder auch meine finanziellen Mittel) in die Zukunft einer Idee, eines Projekts oder einer Unternehmung. Da ich aus der Wirtschaft komme und nicht aus dem Fundraising, passt das Wort Investition für mich besser. Zudem sehe ich meine investierte Zeit auch als Invest in mich selbst. Ich entwickle mich weiter, lerne inspirierende Menschen und neue Ideen kennen, baue mein Netzwerk aus und lerne kontinuierlich Neues.

 

GAL: Also sehen Sie in Social Investments die Zukunft des philanthropischen Engagements?

 

NaB: Ich bin keine Fundraising-Expertin, aber ich glaube, dass es für viele Menschen wie mich darum geht, sich mit mehr als Geld einzubringen und ihren Einsatz eher als Investition und weniger als Spende zu verstehen. Das bedeutet für mich: Transparenz, Gemeinschaft und Wirkung. Mich interessiert, wer für die gleiche Sache brennt und wie ich mit diesen Menschen Synergien schaffen und gemeinschaftlich Lösungen vorantreiben kann. Ich möchte eine messbare Wirkung erzielen und eine dynamische Weiterentwicklung „meiner“ Projekte erleben und ich möchte mit anderen Mitmachern/Unterstützern/Investoren Erfolge feiern können. All das fehlte bisher, wenn wir mit meinen Teams in unregelmäßigen Abständen Spenden für unterschiedliche Organisationen gesammelt haben. Der Bezug zum Engagement war längst nicht so ausdauernd und emotional und fühlte sich irgendwie unvollständig an. Ich glaube, dass diese Erfahrung auch andere Spenderinnen und Spender machen und es essentiell ist aus den verschiedenen Unterstützerinnen und Unterstützern eine stärkere Wirkungs-Gemeinschaft zu formen.

 

GAL: Ihr derzeitiges Projekt bei gut.org heißt bcause.com. Um was handelt es sich dabei?

 

NaB: Project bcause ist die digitale Plattform für Menschen, die gute Vorhaben finanzieren wollen und können – einfach, flexibel und gemeinsam. Auf bcause.com werden Spenden- und Investmentmöglichkeiten kombiniert. Es werden Projekte vorgestellt, die eines oder mehrere der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen verfolgen. Die Nutzerinnen und Nutzer können selbst entscheiden, ob und mit welchem Risiko sie mit ihren Finanzierungen einen Gewinn erzielen möchten, etwa bei Social Startups, den sie dann wieder für gute Zwecke auf der Plattform einsetzen können. Aber sie können auch an einzigartige und oft große Vorhaben spenden, dabei spielt dann im Hintergrund betterplace eine Rolle. Hinter project bcause steht eine enorm kraftvolle Community, Finanzierungen werden in Wirkungskreisen gemeinschaftlich realisiert. Momentan kann man sich noch in eine Warteliste eintragen, da wir mit einer kleinen, ausgewählten Gruppe starten wollen, um die Plattform zu testen. Aber natürlich soll sie anschließend immer weiterwachsen.

Quelle: FUNDStücke 2021-4

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