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Spenden mit der Zakat-App bis zu den Bedürftigen verfolgen

Vertrauen mit neuen Technologien schaffen

Spenden mit der Zakat-App bis zu den Bedürftigen verfolgen

Wichtiger Teil der islamischen Glaubenspraxis ist der Zakat – eine regelmäßige Spende für Bedürftige. Mit verschiedenen Maßnahmen, darunter jetzt einer innovativen App, ist es dem UNHCR nach jahrelangen Bemühungen als erste internationale Organisation gelungen, den besonderen Anforderungen der Zakat-Spende gerecht zu werden.

Was ist Zakat überhaupt?

„Zakat“, erklärt Houssam Chahine vom UNHCR, „heißen im Islam die 2,5 Prozent des Vermögens, die jede und jeder Gläubige einmal jährlich als Pflichtabgabe spenden muss. Der Zakat ist eine der fünf Säulen des Islams.“ Etwa 76 Milliarden USD spendeten Musliminnen und Muslime weltweit als Zakat im Jahr 2018. Die Voraussetzungen waren aus Sicht von Houssam Chahine gut, dabei eine große Spendenzielgruppe für den UNHCR zu gewinnen. Zum einen, weil der der Zakat eine Pflichtspende ist, die jeder Muslim und jede Muslimin zu entrichten hat, und zum anderen, weil eine große Zahl an Menschen auf der Flucht ist. Es sind nicht nur kriegerische Konflikte, die Menschen dazu bewegen, ihre Heimat zu verlassen. Auch der Klimawandel und seine Folgen wie Wassermangel, Ernteausfälle und darauffolgende Hungersnöte treiben die Menschen weltweit dazu. Musliminnen und Muslime in aller Welt nehmen das wahr.

Seit 2012 beobachtet Houssam Chahine eine gesteigerte Nachfrage nach Spenden an die UN-Flüchtlingshilfe aus islamisch geprägten Ländern. „2012 kam die Idee auf, die Entrichtung des Zakat auch online möglich zu machen“, so Chahine. Allerdings ist das eine besondere Herausforderung, denn es gibt einiges zu beachten bei der Entrichtung der „Läuterungsgabe des Islam“. Mit seinem Team arbeitete er schon seit vielen Jahren daran, in der MENA-Region (Middle East and North Africa) Zakat-Spenden für die Flüchtlingsarbeit zu gewinnen. Nach verschiedenen Tests und der Klärung von technischen und rechtlichen Fragen startete 2018 zum Ramadan eine erste Zakat-Kampagne auf der Webseite. 2019 entstand der „Refugee Zakat Fund“ und nach Klärung vieler weiterer Fragen kann seit diesem Jahr auch mit einer neuen App individuell gespendet werden.

Besondere Herausforderung: die Zakat-Zweckbindung

Die Zakat-Spende hat eine klare Zweckbindung. Laut Koran Sure 9:60 darf der Zakat für acht Zwecke gespendet werden: für Arme, Bedürftige, Reisende, Schuldner, Unfreie, die, die den Weg Allahs gehen, die Verwalter des Zakat, und die, die vom Islam überzeugt werden sollen. Mit seinen Flüchtlingsprojekten leistet der UNHCR zwar umfangreiche Hilfe für Arme und Bedürftige, aber 2,5 Prozent ihres Vermögens an eine Organisation mit passendem Zweck zu spenden, reicht für Muslim*innen nicht aus. Dass es sich um einen Zakat im Sinne des Islam handelt, muss von einer muslimischen Autorität offiziell beglaubigt werden. In der Regel geben die Gläubigen den Zakat als Spende bei ihrer Moschee ab. Einige mehrheitlich muslimische Staaten ziehen den Zakat als Steuer direkt ein, andere unterhalten spezielle Fonds oder Agenturen, die für die Verteilung des Zakat in den armen Regionen der Welt sorgen.

Für den Zakat musste der UNHCR sich daher um eine offizielle Anerkennung bemühen, was für eine säkulare Organisation eine große Herausforderung war, zumal es keine zentrale, weltweite und religiöse Instanz im Islam gibt, sondern nur verschiedene Traditionen und Schulen. „Wir haben daher bei verschiedenen Islamverbänden auf der ganzen Welt um Fatwa, eine religiöse Erlaubnis, gebeten – und diese erhalten. Diese Verbände bezeugen, dass es sich bei einer Spende an den Refugee Zakat Fund um einen richtigen Zakat handelt, der als eine der fünf Säulen des Islam anerkannt ist.“ Nach einigen Testphasen erlaubte der UNHCR 2017, dass Chahine und sein Team über ihre Internetseite den Zakat einziehen dürfen. „Der UNHCR ist damit die erste und einzige global agierende Institution, die diese Spenden einsammeln und verteilen darf.“

Zakat-Spende auf dem Weg zum Empfänger

Mit dem Refugee Zakat Fund war der erste Schritt getan: Die Muslim*innen konnten selbst entscheiden, wo ihre Spende wirken soll, und sie wussten, dass die Spende grundsätzlich als Zakat anerkannt wird. Jedoch war es schwierig, die Spendenbindung an einzelne Bedürftige in Projekten nachzuweisen, was der muslimischen Erfordernis bei der direkten Pflicht-Spende an Arme und Bedürftige entspricht.

Der Weg zu App

„Wir wollten daher eine App entwickeln, die umfassendere Informationen und Möglichkeiten für die Spenderinnen und Spender bereithält“, so Chahine. Das anspruchsvolle Ziel lautete, eine vollkommene Transparenz für den Verlauf jeder Zakat-Spende herzustellen – keine einfache Aufgabe in einer großen internationalen Organisation. „Wir wollten, dass die Spender*innen direkt verfolgen können, was mit dem Zakat geschieht.“ Jede Spende bekommt eine ID und ist nachverfolgbar auf jeder Station ihres Weges, wie ein Versandpaket. Außerdem errechnet die App, wie vielen geflüchteten Menschen die Spende hilft. Sie meldet den Spender*innen den Empfang der Spende vor Ort und kann sogar die Empfänger*innen der Spende mit Bild zeigen – alles direkt auf dem Smartphone, das nicht nur jüngere Musliminnen und Muslime ständig bei sich tragen.

Um den richtigen Betrag als 2,5 Prozent Zakat-Spende zu berechnen, müssen Muslim*innen zuerst ihr gesamtes Vermögen feststellen. Dazu gehört Geld und Erspartes, Grundstücke und Immobilien, Anlagen, Forderungen und Schulden oder Schmuck und Edelmetalle. Davon ziehen sie den „Nissab“ ab, ein nicht zu versteuernder Freibetrag, der dem schwankenden Wert von 85 g Gold entspricht, derzeit gut 4 000 Euro. „Einen Zakat-Rechner in die App einzubauen, der es den Nutzer*innen einfach macht herauszufinden, wieviel sie zu entrichten haben, war eine tolle Lösung“, beschreibt Houssam Chahine. Abgerundet wird die App durch die Möglichkeit, auch freiwillige oder zusätzliche Spenden („Sadaqah“) zu tätigen.

Der Tradition erfolgreich Moderne eingehaucht

Houssam Chahine und sein Team haben trotz externer Herausforderungen und erheblichen strukturellen und technischen Schwierigkeiten innerhalb einer internationalen Organisation einen Weg gefunden, die Abgabe des Zakat als eine moderne Form des Fundraisings abzubilden. Die Spendenmöglichkeit findet über die MENA-Region hinaus Anklang bei Muslim*innen auf der ganzen Welt, auch in Deutschland. Die App ist auf arabisch, englisch und französisch verfügbar und die direkte, transparente und emotional durch Bilder unterstützte Spendenmöglichkeit überzeugt auch Nicht-Muslim*innen, für den UNHCR zu spenden.

Für internationale Organisationen kann – über den Zakat hinaus – die vom UNHCR entwickelte Form des direkten Trackings von Spenden bis in die Projekte ein interessantes und nachahmenswertes Tool sein. Dem UNHCR ist zu wünschen, dass er noch die offizielle Anerkennung als „Verwalter des Zakat“ erreicht und somit zukünftig nicht mehr zu 100 Prozent zweckgebundene Spenden für Bedürftige ohne jeden Abzug darstellen muss, sondern auch zugehörige Verwaltungskosten berechnen kann. Falls die neue App sich erfolgreich entwickelt, wird dies sicherlich bald notwendig werden.

Unser Ansprechpartner:

  • Houssam Chahine, Head of Private Sector Partnerships for Mena, UNHCR

Quelle FUNDStücke 1-2021

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