Kennen Sie die „Middle Donors“ Ihrer Organisation?
Wenn nicht, dann ist es an der Zeit, genauer hinzuschauen: Wer sind die „mittleren Spender*innen“? Warum schenken sie Ihnen ihre Aufmerksamkeit? Wie unterscheiden sie sich von anderen Spender*innen, und welches Potenzial steckt in ihnen? Fiona McPhee – Coach, Trainerin und Fundraising-Strategin aus Australien – verrät, wie Organisationen ihre Middle Donors identifizieren, analysieren und die perfekte Strategie entwickeln. Und nicht zuletzt erklärt sie, warum sich das wirklich lohnt.
One-to-one, One-to many – One-to-some
Häufig gibt es in Organisationen eine allgemeine Fundraising-Strategie für die „Spendermasse“ und eine spezielle für die Großspender*innen. Dazwischen liegt das mittlere Spender*innensegment, das beispielsweise monatlich etwas gibt. Analysen haben gezeigt, dass dieses ein großes Eigeninteresse an der Unterstützung der Organisation mitbringt, somit leicht zu binden ist
und dass die Mitglieder prozentual mehr von ihrem Gesamtvermögen spenden als andere Spender*innen. Da liegt also eine Menge ungenutztes Potenzial brach, „das Organisationen eigentlich schon haben könnten“, resümiert McPhee.
Wer sind die Middle Donors und was machtsie besonders?
In ihrem Vortrag auf dem International Fundraising Congress 2019 bezeichnete Fiona McPhee die Middle Donors als besonders wertvoll, besonders engagiert, besonders identifiziert, besonders interessiert. Grundsätzlich sind sie dem oder der „Standardspender*in“ einer Organisation sehr ähnlich – beispielsweise was Zweitspenden, Reaktivierung oder die Zahl der Spenden angeht. „Aber die Daten zeigen, dass sie in der Regel eine etwa fünf bis zehn Prozent höhere Bindungsrate haben als andere Spender*innen“, erläutert Fiona McPhee. Sie nennt außerdem weitere Ergebnisse aus einem Benchmarking-Programm, das in Australien und Neuseeland durchgeführt wird. Dort stammt das mittlere Spender*innensegment von Organisationen aus Direktmarketingmaßnahmen oder die Herkunftsaktionen sind nicht mehr nachvollziehbar, die Spender*innen kamen „von selbst“. Oftmals beginnen sie damit ihre Donor Journey auf einem höheren Level als andere. Viele von ihnen kennen die Organisation aber auch schon lange und sind mit ihren Programmen gewachsen. Jüngste Untersuchungen aus Australien haben außerdem gezeigt, dass diese Spender*innen in etwa drei Mal so viel spenden wie der oder die durchschnittliche*r Spender*in einer Organisation. In Zahlen ausgedrückt verortet Fiona McPhee die Middle Donors als die 16 Prozent unter den vier Prozent der Top-Spender*innen und über den 80 Prozent der größten „Spendermasse“.
Sie sind keinesfalls „nur auf der Durchreise“ zur nächsten „Spendenstufe“, sondern bilden eine eigenständige Gruppe mit speziellen Bedürfnissen. Sie reagieren beispielsweise, ähnlich wie Großspender*innen, auf rationale Ansprachen mit klarer Wirkungskommunikation. „Forschungs- und Testergebnisse zeigen, dass sie sehr positiv auf konkrete Angebote zur Unterstützung neuer, innovativer Projekte reagieren“, so McPhee. Das tun in der Regel alle Spender*innen und bei der Ansprache der Großspenderinnen und Großspender gehen die meisten Organisationen auf diese Bedürfnisse ein und investieren mehr Ressourcen in deren Betreuung – mit Erfolg. Das kommt für die Middle Donors oft zu kurz.
Woran hängt es in der Ansprache?
Häufig setzen Organisationen für die mittlere Zielgruppe keine Strategie und keine Ressourcen ein. Sie investieren nicht in Analysen, um deren Motivation und Verhalten besser zu verstehen. Das geschieht nicht aus Ignoranz, weiß Fiona McPhee: „Oft haben Organisationen die Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen, bereits vollständig in den Programmen für Großspender*innen
eingesetzt“, erläutert sie. „Sie haben einfach nicht die Kapazitäten. Die zuständigen Personen können nur ein bestimmtes Volumen an aktiven Spenderinnen und Spendern gleichzeitig betreuen.“ Investiert eine Organisation analog zu der Betreuung der Großspender*innen in die Betreuung des Spendersegments darunter, reduziert das erst einmal den Return on Invest. Nur die gleichzeitige Betrachtung der erwartbar längeren Bindung der Middle Donors rechtfertigt die nachhaltige Investition in ihre Betreuung. Die Spender*innenpyramide empfindet McPhee in dieser Hinsicht als überholt: „Sie funktionierte, als die Mehrheit der Spender*innen Einzelspenden tätigte und deren Entwicklung hin zu Testamentsspender*innen das Ziel war. Heute ist das Publikum breiter gefächert und hat mehr Möglichkeiten, sich zu engagieren – durch Spenden, Peer-to-Peer-Aktionen, Anlass-Spenden, Mitanpacken.“
Oft sind zweckgebundene Spendenansprachen für die Großspender*innen „reserviert“ und die übrige Ansprache konzentriert sich auf das Einwerben zweckungebundener Spenden. Zusätzlich beobachtet McPhee, dass Organisationen sehr deutlich definieren, wer ein*e Großspender*in ist – meistens rein zahlenbasiert. Spender*innen unterhalb dieser Grenze, solche mit Großspenderpotenzial, fallen aus dem Fokus. So fehlen Spender*innen „aus der Mitte“ greifbare Angebote, die sie motivieren, mehr zu spenden. Um die Middle Donors zu identifizieren und angemessen betreuen zu können, empfiehlt McPhee Organisationen, sich zu fragen: Wer sind unsere mittleren Spender*innen und was zeichnet sie aus? Des Weiteren rät die Expertin dazu, Benchmarks für deren Verhalten zu erstellen. Eine Spender*innenbefragung kann dabei unterstützen – wenn sie gut durchgeführt wird: McPhee empfiehlt, sich gegebenenfalls Rat einzuholen, damit die Befragung brauchbare Ergebnisse liefert. Sie warnt davor, kurzfristig zu denken: „Das mittlere Spender*innensegment wird nicht gleich im nächsten Jahr mehr Spenden einbringen, das kann und sollte nicht das Ziel sein. Stattdessen sollten NGOs langfristig planen und eine stabile Vertrauensbasis zu den Spender*innen in den Fokus nehmen.“
Die persönliche Note macht den Unterschied
Für Fiona McPhee besteht die Herausforderung darin, dass viele Organisationen sich für das mittlere Spender*innensegment eine Strategie „von der Stange wünschen“, die ähnlich wie Massenmailingprogramme oder Onlinemaßnahmen automatisiert angewendet werden kann. Die mittleren Spender*innen jedoch fordern individuelle Betreuung. McPhees Lösung ist eine Mischung aus programmierbaren Elementen und dem VIP-Ansatz für Großspender*innen: „Für Großspenden gibt es echte One-to-one-Programme und Massenfundraising ist One-to-many. Erfolgreiche Strategien für Middle Donors verfolgen einen One-to-some-Ansatz.“ Aus ihrer Sicht ist der persönliche Kontakt mit ihnen entscheidend für den Erfolg: „Ich kann es nicht fassen, wie viele Fundraiser*innen nie mit ihren Spender*innen geredet haben. Rufen Sie sie an, vereinbaren Sie ein persönliches Treffen. Die mittleren Spender*innen zu verstehen, sollte die oberste Priorität der Strategie sein.“ Fiona McPhee belegt ihre Aussagen mit eigenen Erfahrungswerten: „Eine mir bekannte NGO stellte einen Beauftragten für die Betreuung der Middle Donors ein. Dieser führte Dankanrufe und ,Wohlfühlgespräche‘, kümmerte sich um Follow-up-Aufrufe und beantwortete Fragen der Zielgruppe.
Diese Investition führte zu einer erhöhten Bindung der Zielgruppe sowie zu einem Anstieg der Einnahmen.“ Wer in eine solche Kommunikation jährlich mehr investiert, bietet Spenderinnen und Spendern einen guten Service und erfährt gleichzeitig mehr über deren Bedürfnisse und Wünsche. Auch kleine14 Abwandlungen eines Mailings zu einer weiteren Version können helfen, wie McPhee weiß. Sie regt dazu an, statt der oft üblichen drei Spendenprodukte in Mailings für die Spender*innen des mittleren Segments eine einzige Aufforderung einzusetzen. Die wichtigsten Ratschläge der Expertin zusammengefasst: Alles, was Organisationen bisher über ihre (Groß-)Spender*innen herausgefunden haben, hilft im Umgang mit dem mittleren Spender*innensegment. Bauen Sie auf Ihren Erkenntnissen auf, analysieren Sie das Verhalten der mittleren 16 Prozent und entwickeln Sie eine Mischstrategie aus automatisierter und persönlicher Betreuung.
Im Gespräch :
Fiona McPhee, Philanthropy &
Fundraising Australia &
New Zealand
FUNDStücke 2021-01