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Fortbildungsprogramm „Datenwelten“ für Fundraiser:innen zur Optimierung des Datenmanagements

Datenwelten: Teil des Problems und Teil der Lösung – Interview mit Doris Kunstdorff

Im Dezember 2021 konnten mehr als 50 Teilnehmende in einer Online-Veranstaltung einen ersten Blick in die „Datenwelten“ werfen – ein Fortbildungs- und Mentoring-Programm für Fundraiser:innen zum Thema Datenmanagement. Initiiert hat das Programm die Cloud und Rüben gGmbH. Doris Kunstdorff ist eine der beiden geschäftsführenden Gesellschafterinnen und erklärt uns, warum die Frage des Datenmanagements über die Zukunft gemeinnütziger Organisationen entscheiden wird.

Wie muss man sich das Programm „Datenwelten“ konkret vorstellen?

Den Schwerpunkt bildet ein Lern- und Mentoringprogramm, welches Sie sich auf der Website datenwelten.org ansehen können. Es gehören auch Veranstaltungen dazu und mit der Zeit werden wir das Programm immer weiter ausbauen. Aber jetzt, zum Startschuss, sind es vor allem die Online-Lernmaterialien auf der Homepage.

Für wen ist das Programm gedacht?

Es richtet sich direkt an Menschen, die in gemeinnützigen Organisationen arbeiten und sich einfach schlau machen möchten. Die klassische Situation ist, dass jemand den Auftrag von seinem Verein bekommt, sich um das Thema „Datenbank-Einführung“ zu kümmern. Diese Menschen und Organisationen wollen wir mit unserem Programm unterstützen, damit sie das nötige Handwerkszeug bekommen. In der ersten Version haben wir erst einmal nur kostenfreie Angebote. Wenn wir die Inhalte ausbauen, werden einige auch kostenpflichtig sein, je nach Detaillierungsgrad und Komplexität.

Eine weitere Zielgruppe sind Verbände, die für ihre Mitglieder besondere Bedarfe im Bereich Digitalisierung haben. Für solche Organisationen könnten wir zugespitzte Kurse oder gemeinsame Veranstaltungen anbieten. Und dann soll das Programm auch solchen Leuten einen Einstieg ermöglichen, die Spaß am Thema Fundraising-Datenbanken haben, tiefer einsteigen und vielleicht Beratungsprojekte übernehmen möchten.

„Datenwelten“ ist ja ein relativ weit gefasster Name. Der Schwerpunkt liegt aber schon im Fundraising, richtig?

Im Moment ja. Meine Mitgesellschafterin Gisela Bhatti und ich, wir geben im Moment unsere Expertise in dieses Programm, und da liegt der Fokus auf dem Thema Fundraising-Datenbank. In diesem Jahr wollen wir aber noch die Bereiche Datenschutz und Datensicherheit aufnehmen. Und mittelfristig möchten wir mit den Organisationen ins Gespräch kommen und sehen: Wo brennt es noch unter den Nägeln? Dann wollen wir auch mit anderen Expert:innen zusammenarbeiten.

Was versprechen Sie sich von diesem Programm?

Es ist ein Bildungsangebot für die Zivilgesellschaft – mit Schwerpunkt auf E-Learning. Es soll helfen, Schritte in die richtige Richtung zu gehen bei dem riesigen Thema Digitalisierung. Denn letztendlich basiert alles darauf, dass man ein vernünftiges Datenmanagement hat. Wenn man die vielen Daten nicht vernünftig verwaltet, die in eine Organisation hineinströmen, dann kann kein Schritt in Richtung Digitalisierung gelingen.

Gibt es bestimmte Vorgaben, wann und wie man ins Programm einsteigt?

Nein, das können die Teilnehmenden selbst wählen. Es gibt Module und Lerneinheiten, die wir ziemlich klein halten. So kann sich jeder die Päckchen heraussuchen, die er oder sie gerade braucht. Wir haben immer eine Mischung zwischen Videos und Handouts – extrem praxisorientiert, das ist uns wichtig. Wir wollen nichts Abgehobenes, kein halbes IT-Studium, sondern ganz alltagsnahe Hilfen.

Warum ist ein gutes Datenmanagement aus Ihrer Sicht für Fundraiser:innen denn so wichtig?

Fundraising ist doch schon lange in der digitalen Welt angekommen. Oder schreibt jemand die Spendenbriefe noch mit der Hand? Oder verwaltet die Spendeneingänge mit Papier und Stift? Es läuft praktisch nichts mehr ohne digitale Unterstützung oder Tools. Und im Grunde geht es immer um die Frage, wie Daten und Informationen verwaltet werden. Das kann man effizient und effektiv gestalten – oder auch nicht. Da die Flut an Daten und Informationen rasant wächst, steigen die Anforderungen entsprechend.

Da geht es häufig erst einmal um Datenkonsistenz, um zuverlässige Daten. Klassisches Beispiel: ein sauberer Adressdatenbestand. Wenn wir Spender:innen ansprechen wollen, sollten die Namen stimmen. Und das Ziel sollte sein, dass eine Organisation ein zentrales Adressmanagement hat, nicht tausend verschiedene Excel-Dateien. Sie glauben gar nicht, in wie vielen Vereinen das noch der Arbeitsalltag ist. Irgendjemand hat Adressen in Excel, ein anderer hat sich in Outlook eine Systematik erarbeitet, ein Dritter führt einen Karteikasten – also manchmal noch richtige Papiereinheiten. Und da reden wir jetzt nur über korrekte Adressen. Die vielen anderen Fragen sind da noch nicht berücksichtigt. Zum Beispiel: Wie möchte derjenige angesprochen werden, darf man E-Mails schreiben, anrufen, oder eben nicht? Nur mit einem qualitativ hochwertigen Datenbestand kann man hochwertiges Fundraising machen.

Bräuchten wir vielleicht mehr Mathematiker:innen im Fundraising?

Lacht: Schaden würde es wahrscheinlich nicht. Aber auch die können nichts bewegen, wenn ihre Erkenntnisse dann in der eigenen Organisation nicht ernst genommen werden. Wir brauchen Menschen mit mehr Offenheit für das Thema Datenmanagement. Solche, die Spaß an diesem eher strukturierten Denken haben. Das müssen nicht unbedingt Mathematiker:innen sein. Wenn man sich drauf einlässt, Zeit und Interesse mitbringt, kann das jeder lernen. Und wir wollen Bausteine entwickeln, mit dem man sich dem Thema im eigenen Tempo nähern kann. Da lernt man zum Beispiel, was Stammdaten sind, und was Bewegungsdaten. Das sind alles Begriffe aus der IT, aber ehrlich: Das ist kein Hexenwerk. Da kommt man mit gesundem Menschenverstand sehr weit. Und wenn man die Grundlagen einmal verstanden hat, ist einem auch klar, warum man bestimmte Dinge so und nicht anders machen sollte und welche Möglichkeiten es gibt.

Die Deutsche Stiftung Engagement und Ehrenamt hat Ihr Projekt gefördert. Welche Erfahrungen haben Sie mit der noch relativ jungen Stiftung gemacht?

Mit den Mitarbeiter:innen: nur gute. Sie sind engagiert und kompetent. Die Rahmenbedingungen sind allerdings ausbaufähig. Wir sind für die Fördermittel sehr dankbar, das ist völlig klar, denn ohne sie hätten wir viel länger gebraucht, um das Projekt zu realisieren. Aber es ist schon ein unglaublicher Druck entstanden durch die kurze Spanne zwischen der Förderzusage im August/September 2021 und der Umsetzung des Projekts bis Ende des Jahres. Ich glaube aber, die Stiftung arbeitet an dieser Problematik.

Welche Schritte können Organisationen konkret gehen, um ihre Digitalisierung voranzutreiben?

Der erste Schritt ist immer eine Bestandsaufnahme. Wo stehen wir überhaupt? Und von da aus: Wo wollen wir in fünf Jahren stehen? Das wird dann ins Operative übersetzt. Ich bin immer dafür, dass man erst einmal aufräumt und sich fragt: Was haben wir denn überhaupt alles in der Bude? Welche Systeme sind für uns wirklich lebensnotwendig? Die müssen sauber funktionieren – und dann kann man auch die nächsten Schritte machen.

Was hat Sie dazu veranlasst, die gemeinnützige GmbH Cloud und Rüben zu gründen?

Gisela Bhatti und ich haben länger mit dem Gedanken gespielt, weil wir 2015 ungefähr gemerkt haben, dass im Bereich Digitalisierung eine große Welle auf uns zukommt. Wir haben uns gefragt: Wie will die gemeinnützige Welt das stemmen? Wir wollen einen Beitrag zur Realisierung der globalen Nachhaltigkeitsziele leisten. Die Digitalisierung ist dabei Teil des Problems und gleichzeitig Teil der Lösung. Sie verbraucht enorm viele Ressourcen, aber allen Beteiligten ist klar, dass man ohne sie die Nachhaltigkeitsziele nicht erreichen kann. Wir wollen also die Chancen aufzeigen und vor allem daran erinnern: Liebe Leute, kümmert Euch drum. Wer sich nicht schlau macht und sich dem Thema nicht stellt, der wird irgendwann verschwinden. Und die Grundlage von allem, wie gesagt, ist ein gutes Datenmanagement. Das ist für alle Organisationen fundamental wichtig, es ist die Basis für das Kerngeschäft gemeinnütziger Organisationen.

Wo sehen Sie die Fundraising-Branche in Deutschland beim Thema Digitalisierung? Vorne? Mittlerer Platz? Abgeschlagen?

Das ist sehr unterschiedlich, egal, aus welcher Richtung man guckt. Es gibt so viele Digitalisierungsthemen, so viele Vereine und Strukturen, und bei weitem kein einheitliches Bild. Von Pionieren bis zu Verweigerern ist praktisch alles dabei. Das liegt übrigens nicht immer an der Größe oder am Geldbeutel der Organisation. Selbst innerhalb von Vereinen gibt es oft eine sehr große Kluft.

Wenn ich an die vielen Gespräche denke, die ich zu dem Thema führe, befürchte ich, dass insgesamt schon noch sehr viel im Argen liegt.

Wenn Sie irgendwann einmal in den Ruhestand gehen: Welche Veränderungen sollte die deutsche Fundraising-Szene bis dahin vollzogen haben, damit Sie sich beruhigt zurücklehnen können?

Ich werde dieses Jahr 63 und bin die einzige in meinem Familienkreis, die in diesem Alter noch arbeitet. Und das auch noch freiwillig und gerne. (Lacht.) Das mit dem Zurücklehnen wird für mich schwierig werden. Ich brauche das Gefühl, dass ich dazu beitragen konnte, einen Bewusstseinswandel anzustoßen, was die Bedeutung der Themen Digitalisierung und Datenmanagement angeht. Und was ich mir auch noch wünschen würde: mehr junge Leute für unsere Branche zu gewinnen, die IT-orientiert sind. Gerade in diesem Bereich gibt es viele Idealisten, die aber keine Chance sehen, sich im gemeinnützigen Bereich zu engagieren. Die glauben, wir brauchen nur Sozialarbeiter.

Und wie geht’s jetzt weiter?

Wir haben eine Förderzusage von der DSEE für unseren Folgeantrag bekommen. Jetzt können wir die Fortbildungsangebote ausbauen. Ein wichtiges Teilprojekt ist die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Fundraising Verband. Wir wollen den Kriterienkatalog Fundraising-Software überarbeiten, Webinar-Reihen dazu anbieten und auch eine Fachgruppe aufbauen. Zurücklehnen ist also erst einmal nicht.

Das Interview führte Friederike Hofmann

Quelle: FUNDStücke 1-2022

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