FUNDStücke

Zusammenarbeit von Dachverbänden und Ortsvereinen für das gemeinsame Ziel

Kleine Vereine in großen Strukturen

Oftmals finden sich regionale Vereine in übergeordneten Verbandsstrukturen zusammen. Gemeinsam, so die Idee, können die einzelnen Aktivitäten besser koordiniert werden und der Austausch untereinander verbessert sich. Außerdem bilden viele Organisationen zusammen ein einflussreicheres Organ, das einen überregionalen Bekanntheitsgrad erreicht und mehr Einfluss auf Gesellschaft und Politik nehmen kann. Wie Vereine in und mit großen Verbänden arbeiten, wo Vorteile und Herausforderungen liegen – darüber sprechen wir mit Alexander Purps und Volker Maas.

Gesamtverbände haben nicht selten eine bundesweite Strahlkraft. Viele von ihnen haben die Hauptstadt Berlin als Standort gewählt und sind dadurch ganz dicht am Zentrum der bundesdeutschen Politik. Sie bestehen aus Einzelverbänden und Vereinen, die teilweise bis in die kleinsten regionalen Ebenen aufgestellt sind. Wie arbeitet eine Organisation, in der so viel Unterschiedlichkeit besteht? Worin liegen die Vorteile für einen Verein, Mitglied eines Verbands zu sein, und wo liegen eventuell Fallstricke?

Gemeinsames Ziel, unterschiedliches Selbstverständnis

„In vielschichtigen Strukturen entstehen oft Reibungen”, erklärt Alexander Purps, Referent für Direktmarketing beim NABU Deutschland, der sich in einem Bundesverband mit Landesverbänden und regionalen Ortsgruppen organisiert. Diese Reibungen sind für ihn ein wichtiger Teil des Gesamtkonstrukts.

„Verbände verstehen sich oft als die ,die am großen Rad drehen’. Das ist beim NABU Deutschland nicht anders. Wir in der Geschäftsstelle schützen die heimischen Vogelarten nicht dadurch, dass wir sie katalogisieren oder Auffangstationen betreiben, sondern indem wir direkt auf die Politik einwirken”, führt er weiter aus.

Vereine oder Landesverbände agieren direkt vor Ort und haben oftmals weder den Einfluss noch die Kapazität oder das Know-how, um solche Aufgaben wahrzunehmen. Volker Maas, der zurzeit das Direktmarketing der Diakonie Katastrophenhilfe verantwortet, kennt das noch aus der Zeit, in der er unterschiedliche Fundraising-Maßnahmen für die regionalen Strukturen des Deutschen Roten Kreuzes koordiniert hat.

„Personell waren Ortsvereine und Kreisverbände leider oftmals nicht in der Lage, die Gewinnung neuer Mitglieder, das Telefonfundraising oder Mailings in Eigenregie umzusetzen.“ Aus dem unterschiedlichen Selbstverständnis beider Ebenen ergeben sich auch unterschiedliche Aufgaben. Doch, wie Alexander Purps anmerkt, eben auch Konfliktpunkte.

Verschiedene Charaktere und anderes Know-how

„Natürlich kann auf Ebene der Ortsvereine und Kreisverbände schneller entschieden werden als auf der Bundesebene, weil die Wege einfach kürzer sind. Ein großer Vorteil, um Entscheidungen zügig treffen zu können“, sagt Volker Maas. „Doch viele notwendige Projekte können gar nicht umgesetzt werden: Es fehlt schlichtweg an personellen und finanziellen Ressourcen. Dann ist es manchmal gut, einem Verband anzugehören, der einem helfen kann.“

Das erlebt auch Alexander Purps beim NABU: „Im Fundraising greife ich die Projekte einzelner Ortsvereine auf und baue sie in ein Mailing ein. Sie erhalten dann einen Anteil vom Gewinn und müssen nicht selbst ein Mailing aufsetzen.” Diese Unterstützung ist ein echter Vorteil für die Ortsvereine.

Herausforderungen der Zusammenarbeit

Die Menge an Möglichkeiten führt jedoch auch dazu, dass große Verbände stetig Neuerungen umsetzen wollen, auch wenn sie aufgrund ihrer Größe oft langsamer in ihren internen Abläufen sind. „Das geht dann auf Kosten der Geschwindigkeit. Kleine Vereine sind innerhalb der Gesamtstruktur in ihren Prozessen oft schneller. Das liegt nicht nur daran, dass die Wege kürzer, sondern auch die organisatorischen Anforderungen und der Verwaltungsaufwand geringer sind”, bemerkt Volker Maas.

„Auch die Digitalisierung tut nicht jedem Verband gut, da die Arbeit mit Aktennotizen und Papier eingespielter sein kann. Vereine können sich solche Neuerungen oft nicht leisten und arbeiten deswegen vielleicht manchmal zügiger.”

Müssen Entscheidungen zwischen Dachverband und Ortsverein oder sogar noch mehr Ebenen abgestimmt werden, dann kollidieren dabei oftmals die unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Arbeitsweisen.

Sind die internen Prozesse nicht gut strukturiert und herrscht kein gegenseitiges Verständnis für die Unterschiedlichkeit, kann auch das intern zu eben beschriebener Reibung führen, die Alexander Purps als „ein Zeichen von Lebendigkeit” wertet, wenn die verschiedenen Perspektiven respektvoll ausdiskutiert werden.

Ziele und Kommunikation für die Zusammenarbeit

Sind Vereine in eine Verbandsstruktur eingebettet, treffen sie nicht nur auf komplexe Strukturen, sondern auch auf eine große Gemeinschaft von Menschen, mit denen sie ein gemeinsames Ziel verfolgen. „Viel wichtiger als die Strukturen ist der ,psychologische Eisberg’, also das, was unter der Oberfläche vor sich geht”, erklärt Alexander Purps.

Die Spitze des Eisbergs ist das, was aus dem Wasser ragt und das man sehen und klar benennen kann: Hierarchieebenen, Abteilungen, Gremien. Doch sie werden geformt aus verschiedensten Persönlichkeiten und unterhalb der Wasseroberfläche gibt es ein großes Fundament an Charakteren mit verschiedenen Befindlichkeiten. Und bei einem Verband können das mitunter sehr viele werden.

„Wir hatten vor kurzem ein Event zum Thema Teambuilding mit so gut wie allen Personen, die im Bundesverband des NABU für Kommunikation zuständig sind“, erläutert Alexander Purps, wie der NABU darauf eingeht. „Das waren dann 80 Leute und natürlich ist es eine Herausforderung, dort eine gute Atmosphäre zu schaffen und vor allem konfliktfähig zu sein.”

Vereinsmitarbeiter*innen werden dabei immerhin mit Charakteren verschiedenster Ebenen konfrontiert und es ist wichtig, dass jeder und jede begreift, dass man mit- und füreinander arbeitet. „Das gilt für jede Form der Organisation,” ergänzt er. Dabei ist gerade die Kommunikation von „der Zentrale zur Basis” wichtig. Verbände lassen ihren Vereinen vor Ort einen gewissen Spielraum, beispielsweise wenn es um die Ausgestaltung ihres Online-Auftritts geht. „Wenn ein gemeinsamer Weg eingeschlagen werden soll, der durch den Verband vorgegeben wird, ohne dabei die unteren Ebenen zu zwingen, diesen mitzugehen, dann ist viel Überzeugungsarbeit nötig”, beschreibt Volker Maas seine Erfahrungen. Sind anschließend alle mit dabei, dann nicht aus Zwang, was eine gute Atmosphäre und Zusammenarbeit zur Folge hat.

Der Tanker im Sturm

Dennoch gibt es Situationen, in denen Verbände beim Ringen um strukturelle Fragen oder Richtungsentscheidungen aus der Bahn geworfen werden. Auch sie sind von Krisensituationen betroffen. Das können interne Krisen sein, aber auch handfeste Notsituationen wie Umweltkatastrophen.

„In der Katastrophe laufen gewohnte Arbeitsprozesse anders, informeller und einfach reibungsloser. Es geht dann nicht darum, den perfekten internen Prozess zu etablieren, sondern innerhalb kürzester Zeit Fundraising-Maßnahmen umzusetzen”, erzählt Volker Maas. „Dann sind alle darauf eingestellt, schnell zu liefern.

So war es auch 2021 beim extremen Hochwasser in Teilen Deutschlands, als wir als Diakonie Katastrophenhilfe dank der Zusammenarbeit mit den Diakonischen Werken der betroffenen Regionen gemeinsam und unmittelbar mit der Soforthilfe beginnen konnten.”

Verbände sind oft wie „Tanker”, wie er beschreibt. Groß, mächtig, aber schwer zu bewegen. Solche Erfahrungen zeigen, wo genau Prozesse noch optimiert werden müssen. „Und beim NABU war es vor vielen Jahren sogar eine interne Krise, die dazu geführt hat, dass der Verband sich neu strukturiert hat. Er stand damals in vieler Hinsicht ganz nah am Abgrund, heute ist er dafür umso gesünder”, erläutert Alexander Purps.

Erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Verbänden und Vereinen

Am Ende sind Verbände wirkmächtige Organisationen, in denen es viel zu organisieren gibt, in denen viele Reibungspunkte entstehen und die weniger agil sind, als die Ortsvereine. Doch berichten uns beide Ansprechpartner aus ihrer jahrelangen Erfahrung in großen Verbänden, aber auch lokalen Strukturen:

Wenn die Arbeit strukturiert sowie der Austausch rege ist und ein gegenseitiges Verständnis für die jeweils andere Arbeitswirklichkeit herrscht, kann die Mitgliedschaft für die kleinen Vereine sehr inspirierend sein.

„Verbände fördern die zugehörigen Vereine, indem sie ihr Know-how stiften. Die Ortsvereine wiederum führen die Projekte aus und sind nah an den Menschen. Durch die lokale Präsenz seiner Vereine wird ein Verband erst richtig stark”, setzt Alexander Purps das Schlusswort. Strukturierte und anerkennende Kommunikation kann so zum Erfolg führen.

 

Im Gespräch

  • Alexander Purps, Referent Direktmarketing beim NABU Deutschland
  • Volker Maas, Referent Direktmarketing Diakonie Katastrophenhilfe

 

Quelle: FUNDStücke 4-2022

Autor:in

GRÜN alpha, Verbände, Vereine

Dürfen wir Ihnen helfen?





    Mehr zum Thema