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Solidarität verbindet: YAAR fördert Zusammenhalt

Kava Spartak von Yaar e.V. im Interview

Kava Spartak beschäftigt sich ehrenamtlich aktuell viel mit dem Thema Solidarität. Er ist Vorstandsmitglied des Vereins YAAR e. V. aus Berlin, über den sich afghanische Geflüchtete mit Flüchtlingen aus der Ukraine solidarisiert haben: ein bedeutsames Zeichen des menschlichen Miteinanders im Katastrophenfall. Für unsere Fragen dazu hat sich Kava Spartak trotz seiner vielen Aufgaben Zeit genommen – denn auch die Kultur des Gebens liegt ihm am Herzen.

GRÜN alpha (GAL): Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine am 24. Februar 2022 ist Deutschland das Ziel zahlreicher Menschen, die vor den Folgen dieses Konfliktes fliehen. Inwiefern lässt sich diese Situation mit anderen Flüchtlingsbewegungen in Richtung Deutschland vergleichen – aktuellen und vergangenen?

Kava Spartak (KS): Deutschland hat zum wiederholten Mal gezeigt, dass vor einem Krieg fliehende Menschen hier Schutz finden können und mit offenen Armen empfangen werden. Das ist ein großartiges Signal dafür, dass unsere Gesellschaft trotz eigener Herausforderungen durchaus sehr altruistisch und empathisch ist. Ein Vergleich mit anderen Kriegsmigrationen macht deutlich, dass die aktuelle Aufnahmebereitschaft ganz neue Dimensionen erreicht, denn noch nie waren sich Politik, Medien, Verwaltung und Zivilgesellschaft so einig wie heute.

Grenzenlose Solidarität: Unterstützung über geografische und kulturelle Barrieren hinweg

GAL: Neben der Fluchtbewegung aus der Ukraine gibt es natürlich weiterhin Menschen, die aus anderen Ländern fliehen und deren Ziel zum Beispiel die Ukraine war. Haben Sie Informationen über afghanische Geflüchtete, die in der Ukraine angekommen waren – und jetzt wieder fliehen müssen?

KS: Ja, in der Tat gibt es viele Menschen aus Afghanistan, die sich in der Ukraine aufhielten, als der Krieg losging. Dabei handelt es sich um Student:innen, um Schutzsuchende, die sich seit Jahren im Land aufhielten, und um kürzlich evakuierte Personen aus Afghanistan.

GAL: Über YAAR e. V. haben sich afghanische Geflüchtete in Berlin öffentlich mit ukrainischen Geflüchteten solidarisiert. Warum war dieser Schritt aus Ihrer Sicht wichtig?

KS: Menschen aus Afghanistan solidarisieren sich mit allen, die durch einen Krieg ihre Heimat verlassen und ins Ungewisse reisen müssen. Das Mitgefühl und die Empathie sind sehr groß, wenn es um Kriegsbetroffene geht. Sie kennen das nämlich seit über 40 Jahren. Es ist besonders wichtig, dass wir uns heute nicht spalten lassen. Es sollte keine wichtigen und unwichtigen Opfer geben, und keine erwünschten und nicht erwünschten Geflüchteten.

Einheitliche Unterstützung in der Vielfalt der Flüchtlingsbewegungen

GAL: Und was bedeutet das konkret?

KS: Es bedeutet, dass es trotz der durchaus auffälligen Besserbehandlung von Geflüchteten aus der Ukraine zu keiner Spaltung innerhalb der verschiedenen schutzsuchenden Communitys kommen darf. Wir sehen ja, dass es geht und wie es geht. Wir haben nämlich das Mitgefühl, die Kapazitäten und die Ressourcen dafür.

GAL: Sie haben es angesprochen und es lässt sich ja auch nicht leugnen: Krieg und Leid in einem Land wie beispielsweise Afghanistan, das weiter von Deutschland entfernt ist – geographisch und kulturell –, werden überschattet durch Krieg und Leid in einem Land, das näher liegt. Macht Ihnen das Sorgen? Und ist das verständlich oder zu verurteilen?

KS: Mit Menschen aus der Ukraine können sich Deutsche und Europäer:innen besser identifizieren als zum Beispiel mit Menschen aus Afghanistan. Aus gesellschaftlicher Sicht ist es weder verständlich noch zu verurteilen, meiner persönlichen Meinung nach. Es ist eher eine Tatsache, die es zu akzeptieren gilt, auch wenn es unseren Werten, Normen und Gesetzen widerspricht. Die Kritik sollte sich jedoch an die Politik richten, denn es zeigt sich, dass sowohl Ressourcen als auch Kapazitäten stets vorhanden waren. Der politische Wille jedoch war bei anderen Kriegsmigrationen nicht in dem Ausmaß vorhanden.

Aufrechterhaltung der Solidarität: Herausforderungen und Ansätze in der Flüchtlingshilfe

GAL: Die Hilfsbereitschaft bei Flüchtlingswellen nach Deutschland ist zu Beginn oft groß. Die Stimmung kann aber auch schnell umschlagen, wenn die Bevölkerung der Meinung ist, die Belastungen im Land werden zu groß und nicht mehr tragbar. Können wir Fundraiser:innen über Kommunikation dazu beitragen, diesen Effekt zu mildern?

KS: In der Tat ist das ein zeitgenössisches Phänomen, dass die Hilfsbereitschaft wie ein Trend nach einer Weile nachlässt. Die Fundraising-Communitys treten vermehrt solchen Trends entgegen. Denn für sie spielen sofortige Hilfsbereitschaft und ein aktiver Beitrag stets ausschlaggebende Rollen.

Eine entsprechende Kommunikation müsste innerhalb eines Netzwerks von Spendengeber:innen und Spendennehmer:innen stattfinden, in dem der Informationsaustausch durchgehend stattfindet. Der Deutsche Fundraising Verband übernimmt dabei eine sehr wichtige Rolle. Das Interview heute ist ein Beleg dafür.

GAL: Sehen Sie in der Solidarisierung der afghanischen mit den ukrainischen Geflüchteten auch die Gefahr, dass sich andere Bevölkerungsgruppen übersehen fühlen?

KS: Wir sind im ständigen Gespräch mit den Betroffenen und versuchen dem durch Aufklärung entgegenzuwirken. Solidarität ist absolut vorhanden. Allerdings ist es schwer zu vermitteln, dass auf politischer Ebene leider mit zweierlei Maß gemessen wird, und dadurch die Ungleichbehandlung entsteht.

Gemeinschaft und Unterstützung: YAAR e.V.’s Engagement für eine Kultur der Solidarität

GAL: Ihre Spendenprojekte bei YAAR e. V. sind einleuchtend, bieten aber auch Konfliktpotenzial. Hat sich das schon einmal geäußert?

KS: Es haben sich glücklicherweise noch keine Konflikte ergeben. Für diejenigen, die auf unsere Spendenprojekte aufmerksam werden beziehungsweise unsere Arbeit wertschätzen und unterstützen, ist es einleuchtend, warum sie uns unterstützen. Alle anderen kennen uns nicht oder ziehen es vor, andere Zielgruppen und Projekte zu unterstützen.

GAL: Haben Sie denn trotzdem entsprechende Strategien für eine Krisenkommunikation vorbereitet?

KS: Über Kommunikationsstrategien für potenzielle Krisen in dieser Hinsicht mussten wir bis dato noch nicht nachdenken.

GAL: Der Deutsche Fundraising Verband verfolgt das Ziel, die Kultur des Gebens und der Solidarität zu stärken – ein Ziel, das vermutlich die meisten Spenden sammelnden Organisationen mittragen, ob sie nun Mitglied sind oder nicht. Wie tragen Sie aus Ihrer Sicht zu einer stärkeren Kultur des Gebens in Deutschland bei?

KS: Indem wir unserer Philosophie in unserer Arbeit stets treu bleiben und für Menschen aus Afghanistan ein YAAR sind (Anm. d. Red.: YAAR stammt aus dem Persischen und steht als Synonym für einen besonderen und liebenswürdigen Menschen. Der Verein YAAR e. V. versteht sich als gute Freundin/guten Freund).

Wir beraten, bringen Menschen zusammen, tauschen uns aus, bieten Lernplattformen an und setzen uns für Menschenrechte ein. Wir begleiten, unterstützen und informieren. Viele engagieren sich bei uns ehrenamtlich. Durch die Kochaktionen „Liebesbrücke von Berlin nach Kabul“ konnten wir Spenden sammeln, um Frauen in Afghanistan im Winter zu unterstützen. Beides, sowohl das Engagement als auch das Spenden, verkörpern die Kultur des Gebens. Das sind unsere Beiträge. Und wir hoffen, dass wir dadurch auch einen positiven gesellschaftlichen Beitrag leisten und viele davon überzeugen, auch ein YAAR zu werden.

Quelle: FUNDStücke

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