Denkzettel

Fundraising im Alltag einer Fundraiserin

Langsam komme ich in das Alter, in dem ich am eigenen Leibe erlebe, was ich im Fundraising schon vor 20 Jahren gelernt habe. Zum ersten Mal schrieb ein Freund zusammen mit seiner Einladung zum Geburtstag: „Bitte schenkt mir nichts. Spendet stattdessen etwas für die Opfer der Erdbeben in Syrien und der Türkei.“

Hochzufrieden mit dem ersten messbaren Ergebnis meiner jahrelangen subtilen „Kultur des Gebens“-Infiltrierung meines Freundeskreises öffne ich die Website meiner bevorzugten „Katastrophen“-Organisation. Menüpunkt Spenden, dann Geschenkspende, und dann?

Werde ich nur als Anlassgeberin angesprochen, die andere davon überzeugen soll, mir nichts zu schenken, sondern stattdessen zu spenden.

Auf der Suche nach einer Spende, die ich online leisten und für die ich anschließend meinem alternden Freund eine Art Urkunde in die Hand drücken kann, komme ich zu keinem Ergebnis. Hm, naja, schade – dann eben woanders, es gibt ja viele gute und engagierte NPO.

Nächste Organisation – Fehlanzeige.

Dritte Organisation – leider nein, leider gar nicht.

Beim vierten Versuch bleibe ich ebenso erfolglos.

Erst die fünfte Organisation, die ich ansteuere, bietet mir genau das, was ich brauche. Ich spende online, im Namen meines Freundes, und anschließend bekomme ich ein PDF, auf dem sein Name steht, und meiner, und der Zweck, und die Summe. Halt – die Summe kann ich auch abwählen, so dass sie nicht erwähnt wird. Mache ich auch, und wundere mich dabei über mich selbst. Die Urkunde hätte ich übrigens auch in sein E-Mail-Postfach oder in seinen Briefkasten schicken lassen können, oder per Post zu mir nach Hause. Aber meine Adresse hat die Organisation sowieso längst.

Also poste ich in die selbstverständlich längst eingerichtete Signal-Gruppe der Freunde, die zum Geburtstag des Freundes eingeladen sind: „Hey Leute, hier (URL) kann man richtig schön spenden, mit Urkunde und allem.“

Und dass ich die Organisation auch kenne (Tatsache) und sehr schätze (Tatsache).

Ein anderer Freund postet daraufhin, dass er doch schon die Espressotassen hat, die er verschenken will, und außerdem könne man auch an Health for Future Belgien spenden, wo er sich engagiert. „Stimmt“, poste ich pflichtbewusst sofort in die Gruppe, „das ist natürlich auch super!“

Denke aber bei mir: Ist aber schwierig. Ihr habt ja nicht mal ein Online-Spendenformular auf der Seite. Ehrlich gesagt, noch nicht mal einen Spendenaufruf oder eine Kontoverbindung.

Und nehme mir vor, mit meinem anderen Freund, den ich für sein Engagement wirklich aufrichtig bewundere, mal über ein paar Sachen zu reden. Sachen, die ich als Fundraiserin schon vor 20 Jahren gelernt habe, und jetzt erstmals am eigenen Leib erlebe.

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