FundraisingSpendenbriefe

Die Psychologie des Weihnachtsmailings

Jeder Spende liegt eine intrinsische Motivation des Spenders zugrunde. Meist geht es um die altruistische Idee, helfen zu wollen, aber auch egoistische Motivationen spielen eine Rolle. Peter Buss unterscheidet 5 Spendermotive: „Verbundenheit, Verantwortung/Einflussnahme, Moral/Ethik/Glaube, Zugehörigkeit und Anerkennung.“[1] Diese, so erklärt Buss, führen zusammen mit den Emotionen eines Menschen am Ende zu der Entscheidung zu spenden.[2]

Um als Fundraiser Spender und Organisationen zusammenzubringen, muss man die Motive der Spender genauso gut kennen wie das Selbstverständnis der Organisation, ihre Ziele und Werte. Vergessen darf man aber nicht, dass auch äußere Faktoren hinzukommen, die einen emotionalen Einfluss haben, wie zum Beispiel die Jahreszeit oder Anlässe und Feste.

Wir haben die langjährigen Fundraising Experten Frank Geuenich, Friederike Hofmann und Melanie Koch gefragt, was die Weihnachtszeit für Fundraiser so interessant macht, welche Menschen zu Weihnachten gerne spenden und warum.

Zahlen und Fakten

Kann man statistisch gesehen sagen, dass Weihnachtsmailings bei den unterschiedlichsten Organisationen grundlegend besser laufen als die restlichen Mailings? Wenn ja, wo vermutest Du die Ursachen dafür?

Friederike Hofmann: Für die meisten Organisationen ist der Advent die Haupt-Spendenzeit. Ich glaube, dass die Gesellschaft in der Adventszeit grundsätzlich das Motiv des Teilens, Helfens und Schenkens stärker in den Fokus rückt, das geht ja schon mit St. Martin los.

Draußen ist es kalt und jeder Mensch mit einem Minimum an Empathie kann sich vorstellen, wie grauenhaft es sein muss, jetzt ohne Obdach oder in Not zu sein. Wir besorgen Geschenke und feines Essen für unsere Liebsten und freuen uns auf eine gemütliche Zeit der Nähe und der familiären Geborgenheit – Dankbarkeit spielt eine große Rolle und das Gefühl, etwas zurückgeben zu müssen.

Melanie Koch: Es kann aber auch mal anders sein, da weitere Faktoren den Erfolg eines Weihnachtsmailings beeinflussen. Die Entscheidung, zu Weihnachten zu spenden, kann völlig unterschiedliche Gründe haben:

Manche bekommen Weihnachtsgeld und haben dann einfach mehr. Andere planen genau, wie viel Geld sie pro Jahr spenden und tun das, wenn sie absehen können, wie viel sie übrig haben.

Was man nicht vernachlässigen darf: Das Thema ist einfach präsent. Es gibt mehr Reportagen über gute Taten, über Hilfsbedürftige, … Es laufen Weihnachtsfilme und Märchen, in denen es um Nächstenliebe, um Zusammenhalt oder Gerechtigkeit geht – schöne Geschichten mit Happy End. Auf Weihnachtsmärkten verkaufen Vereine Selbstgemachtes für den guten Zweck. Im Supermarkt hängen Zettel mit Wünschen von Kindern aus finanziell schwachen Familien, die man erfüllen kann.

Erfahrungen zeigen, dass die meisten Menschen nicht aktiv nach einer Spendenmöglichkeit suchen, aber sie ergreifen, wenn sie sich bietet. Die Weihnachtszeit bietet viele Möglichkeiten, sie macht Spenden leicht. Es gibt also viele Gründe, warum diese Zeit die Hauptspendenzeit für die meisten Organisationen ist.

Ein Balkendiagramm, das den Prozentsatz der Spendenaktionen im Dezember in Deutschland zeigt.

Christliche Motive

Auch wenn viele Menschen sich von der Kirche abgewendet haben, scheint immer noch ein kollektiv verankertes Gefühl zu bestehen, dass man zu Weihnachten etwas an Hilfsbedürftige verschenken sollte.

Glaubst Du, dass der christliche Gedanke der Nächstenliebe bei einer Spende zu Weihnachten eine große Rolle spielt?

Friederike Hofmann: Unbedingt. Auch wenn die Zahl der Kirchenaustritte steigt und die Gottesdienste in den meisten Kirchen (nicht überall!) immer leerer werden – der Großteil der Menschen in (West-)Deutschland ist christlich sozialisiert aufgewachsen und erzogen. Vom ersten Lebensjahr an lernen wir, dass es gut ist, wenn man teilt. Als Referenz dafür halten die Bibel, Jesus, St. Martin etc. her.

Auch im Islam spielt das Teilen eine extrem große Rolle: Spenden gehört dort noch mehr zur Pflicht der Gläubigen als in christlichen Religionen. Es ist ja auch nicht überraschend: Zur DNA einer Religion gehört es, sich über das Zusammenleben mit seinen Mitmenschen Gedanken zu machen und es bewusst und positiv zu gestalten.

Da liegt es auf der Hand, dass man die Not anderer sieht und hilft, so gut man kann.

Woran würdest Du das christliche Motiv des Spendens festmachen? Hast Du Zahlen oder Beispiele?

Friederike Hofmann: Aktive Christen spenden überdurchschnittlich viel im Vergleich zu Menschen, die keiner Konfession angehören.

Ein Balkendiagramm, das die Spendenaktionen für Menschen in den Niederlanden zeigt.

Frank Geuenich: Ein von uns betreuter Kunde, eine Ordensgemeinschaft, bietet seinen Spendern traditionell eine Weihnachtsnovene an, bei der die Adressaten ihre Anliegen, also Dinge, die ihnen wichtig sind, mitteilen können; anschließend bringen die Novizen der Ordensgemeinschaft diese Anliegen im Gebet, eben der Weihnachtsnovene, vor Gott.

Dies ist seit vielen Jahren ein für die Adressaten überzeugendes Angebot mit hoher Responserate, und obwohl es kein klassisches Spendenmailing ist und ganz undramatisch daherkommt (in den letzten beiden Jahren fehlte die Bitte um eine Spende in diesem Mailing sogar ganz), bringt es dem Kunden auch gute finanzielle Erträge ein – meines Erachtens, weil es zur Organisation passt.

Denkst Du, dass ein Zusammenhang zwischen dem Thema, mit dem eine Organisation sich generell beschäftigt, und dem Weihnachtsthema einen Vorteil verschafft?

Frank Geuenich: Man kann natürlich schon sagen, dass sich ein Weihnachtsmailing für Organisationen am meisten lohnt, die einen besonderen Bezug zu Weihnachten haben, da es die Authentizität verstärkt – also z.B. kirchliche Organisationen, Klöster, aber z.B. auch der Verband der Hobbykrippenbauer (falls es den geben sollte).

 

Die Themen Kirche und Religion sind unter den 3 beliebtesten der Spendenzwecke:

tabelle-spendenzwecke-nach-selbsteinschaetzung-der-spender

Im Alter spendenfreudig

Für ältere Menschen hat das Thema Religion noch eine größere Bedeutung und sie sehen Weihnachten als Zeit des Gebens. Außerdem leiden sie gerade zu den Feiertagen häufiger unter Einsamkeit.

Resultiert daraus, dass gerade ältere Menschen zu Weihnachten spenden?

Friederike Hofmann: Ältere Menschen spenden grundsätzlich mehr, nicht nur an Weihnachten. Da spielt das Thema Religion eine Rolle, richtig. Die Einsamkeit sicher auch – und das mit dem Lebensalter wachsende Bewusstsein für die Nöte und Bedürfnisse anderer. Aber ganz wichtig ist auch das Thema Geld: Viele ältere Menschen müssen keine Kinder mehr finanzieren oder Häuser abbezahlen. Sie sind im Idealfall ihre Geldsorgen los.

Allerdings spenden auch diejenigen, die selbst Geldsorgen haben – die Erfahrung machen wir immer wieder.

Zeit der Besinnung

Als weitere Motivation zu Weihnachten zu spenden, sehe ich den Faktor Selbstwahrnehmung. Ich vermute, dass sich viele durch die dunkle Jahreszeit und die Feiertage auf ihren eigenen Wohlstand und grundsätzlich unseren Wohlstand in Europa besinnen. Das kann den Wunsch auslösen, anderen zu helfen und sich selber damit besser zu fühlen. Hier wäre Legitimation des eigenen Glücks die Motivation zu spenden.

Kannst Du dies belegen? Gibt es vielleicht besonders viele Neuspender und Großspenden zu Weihnachten?

Friederike Hofmann: Ja, beides ist richtig. Die Gründe dafür liegen aus meiner Sicht in einem Mix aus allem, was wir bisher genannt haben. Auch das oben schon angesprochene Thema der Dankbarkeit (oder auch schlechtes Gewissen) – aus meiner Sicht der Haupt-Trigger für Spenden.

Melanie Koch: Zu „auf den Wohlstand besinnen“ fällt mir Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte und der dazugehörige alte Disney-Zeichentrick-Film ein. Der Geist der Gegenwärtigen Weihnacht zeigt Ebenezer Scrooge, wie sein Sekretär mit seiner Familie mit einfachsten Mitteln ein fröhliches Weihnachtsfest feiert. Scrooge  bekommt davon ein schlechtes Gewissen, weil er alles hat, was er braucht, und er seinen Sekretär schlecht bezahlt und noch schlechter behandelt.

Solche oder ähnliche Szenen und Gedanken haben möglicherweise auch Menschen, die zu Weihnachten spenden – damit sie sich besser fühlen oder weil sie einen Teil ihres Reichtums abgeben möchten an Menschen, die Hilfe brauchen. Beides ist in Ordnung. Nachhaltiger für die Organisation sind meist allerdings die Spender, die aus zweitem Grund spenden.

Themen, Give-Aways und Geschenkspenden

Ich vermute, dass Spenden als Geschenk an andere wahrscheinlich sehr beliebt zu Weihnachten sind. Viele Menschen haben keine direkten Wünsche mehr und freuen sich über eine Spende als Geschenk.

Ist das an Weihnachten besonders oft zu beobachten? Kann man vielleicht sogar feststellen, dass es mehr Spenden als Geschenk, als eigene Spenden gibt?

Melanie Koch: Ja, Geschenkspenden sind sehr beliebt – vor allem, wenn man für den Beschenkten eine schöne Urkunde o.Ä. ausdrucken kann. Dass es mehr Geschenkspenden gibt als andere, kann ich nicht be- oder widerlegen, glaube es aber nicht.

Kannst Du aus Deiner Erfahrung berichten, dass bestimmte Themen zu Weihnachten besser funktionieren?

Friederike Hofmann: Ehrlich gesagt: Alles funktioniert in der Weihnachtszeit besser, als es unterjährig funktioniert. Aber klar: Obdachlose, Kälte, frierende Kinder in Flüchtlingslagern – das liegt auf der Hand.

Melanie Koch: Schreibt man Bestandsspender an, ist davon auszugehen, dass sie auf jedes Thema zu Weihnachten gut reagieren. Schreibt man kalte Listen an, kommt es nicht auf das Thema, sondern auf die passende Zielgruppe an. Da funktioniert das beste Thema nicht, wenn ich nur Personen anschreibe, die sich dafür gar nicht interessieren.

Hast Du die Erfahrung gemacht, dass Spender gerade zu Weihnachten besonders positiv auf kleine Geschenke, schön gestaltete Postkarten oder ähnliche Geschenke des Dankes reagiert haben?

Melanie Koch: Die meisten Spender freuen sich über ein kleines Geschenk, wenn sie es denn auch gut gebrauchen können. Viele sind aber auch vehement dagegen, welche zu bekommen, damit die Organisation kein Geld dafür ausgibt, das sie für ihre Projekte einsetzen könnte.

Das ist aber nicht nur zu Weihnachten so. Vielmehr beobachte ich, dass Organisationen zu Weihnachten besonders häufig das Gefühl haben, jetzt sei ein Geschenk angebracht – ist ja Weihnachten.

Fazit

Die Weihnachtszeit ist für die meisten Organisationen die ertragreichste Zeit, um Spenden zu sammeln. Vergessen darf man dabei nicht, dass Transparenz, Ehrlichkeit und eine gut kommunizierte Message trotzdem das A und O sind, um Erfolg zu haben.

Es hat sich außerdem gezeigt, dass in Deutschland Mitglieder der christlichen Kirchen die meisten Spenden abgeben. Auch grundsätzlich sind christliche Motive, wie Nächstenliebe und Mitleid die häufigsten Motive zu spenden. Doch auch Schuldbewusstsein und das Erkennen des eigenen Reichtums, sowie pragmatische Gründe wie Steuern sind ein häufig erkennbarer Grund, zu Weihnachten etwas an Bedürftige zu geben.

Die Vermutung der Redaktion, dass das Motiv „Bedeutung in der Welt finden“ sowie das Motiv „Etwas zu hinterlassen“ zu Weihnachten eine größere Bedeutung haben könnten, hat sich in diesem Interview nicht bestätigt. Das Thema Testamentsspenden ist zum Beispiel eher ein klassisches Mitte-November-Thema (Allerheiligen, Allerseelen, Totensonntag).

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