Friendraising ist eine Art des Fundraisings, bei der Einzelpersonen oder Unternehmen sich mit einer gemeinnützigen Organisation anfreunden und diese intensiv unterstützen. Diese Beziehung kann nachhaltig helfen, schaft aber auch mehr Arbeit. Celin Sommer und Elisabeth Hahnke erklären uns anhand praktischer Beispiele, wie Friendraising bei one for the planet e. V. und ROCK YOUR LIFE! funktioniert.
Was ist eigentlich Friendraising?
„Friendraising ist eine besondere Art des Fundraisings, bei der es darum geht, Spender*innen zu Freund*innen einer NGO zu machen. Dabei entsteht im Idealfall eine engere Beziehung, die über das Geldgeben hinaus für beide Seiten Mehrwert bringt.“ So beschreibt es Celin Sommer, Gründerin von one for the planet e. V. Freunde der Organisationen spenden nicht nur Geld, sondern setzen sich auch aus voller Überzeugung für deren Ziele ein – eine ganze spezielle Verbindung zwischen den beiden Seiten, die meist wertvolle und langfristige Verbündete schafft. Elisabeth Hahnke von ROCK YOUR LIFE! betont ebenfalls die Überzeugung der Unterstützer*innen von den Zielen der Organisation: „Beim Friendraising aktiviert man Menschen und Unternehmen, die voll und ganz hinter den Werten und der Vision der gemeinnützigen Organisation stehen und die Lust haben, sich für die gute Sache einzubringen.“
Nachhaltige Entwicklung
Ihren Spaß am Engagement und ihr Interesse für einen guten Zweck leben die Freund*innen der NGOs nicht nur für sich allein. Im Gegensatz zu den „klassischen“ Spender*innen bringen sie sich auch darüber hinaus in die Organisationen mit ein. Sie erzählen beispielsweise anderen Menschen von der Organisation und deren Arbeit und sprechen auf diesem Weg neue Spender*innen oder sogar neue Freund*innen an. Deren Engagement kann in den verschiedensten Formen stattfinden, berichtet Celin Sommer: „Sei es durch ein Ehrenamt oder andere Arten der aktiven Mithilfe bei Projekten, bei der Öffentlichkeitsarbeit, aber auch beim Sammeln von
Spenden.“ Auch Unternehmen können zu Unterstützern von Organisationen werden. Elisabeth Hahnke beschreibt diese bei ROCK YOUR LIFE! als wichtige Multiplikatoren, die sich „öffentlich zu Inhalten und Werten bekennen“. So gewinnt die Organisation Reputation und Aufmerksamkeit. Aufgrund dieser Einbindung von Freund*innen, egal ob Privatpersonen oder Unternehmen, in die Arbeit der Organisation ist das Friendraising für Celin Sommer „die nachhaltigste Form von Organisationsentwicklung“
Beziehungsaufbau und -pflege
„Beim Friendraising aktiviert man Menschen und Unternehmen, die voll und ganz hinter den Werten und der Vision der gemeinnützigen Organisation stehen und die Lust haben, sich für die gute Sache einzubringen.“
Friendraising bedeutet für die Organisationen aber auch Arbeit. Bei one for the planet e. V. ist jede*r, der oder die spendet, Unterstützer*in und kann digital abstimmen, welche nachhaltigen Projekte gefördert werden. Derzeit gibt es rund 1.800 Unterstützer*innen, um die sich die Organisation natürlich kümmern muss. Dabei fallen verchiedene Aufgaben an. „Die Betreuung und
die Durchführung der monatlichen Projektabstimmungen, um unsere Unterstützer*innen mit einzubeziehen“ sind zwei der Tätigkeiten,
die Celin Sommer beschreibt. Der Anfang 2020 gegründete Verein, der sich mit mittlerweile ungefähr 30 nachhaltigen Projekten gegen den Klimawandel einsetzt, verschickt diese Abstimmungen einmal pro Monat. Zuvor werden die Untestützer*innen über
die drei zur Auswahl stehenden Projekte informiert und haben dann vier bis fünf Tage Zeit abzustimmen. Das Ergebnis erhalten sie
zeitnah danach. Die Durchführung sowie die Vor- und Nachbereitung fordern einiges an Zeit. Neben der Abstimmung über die zu unterstützenden Projekte können sich die Unterstützer*innen aber auch ehrenamtlich in den Verein einbringen, beispielsweise in Form von Öffentlichkeitsarbeit, Projektauswahl oder bei Projektbesuchen in ganz Deutschland. Auch die Koordination dieser Aufgabe erfordert einen gewissen Organisationsaufwand von Celin Sommer und dem restlichen Team. Zusätzlich informiert der Verein noch
über andere Kanäle. „Wir veröffentlichen regelmäßig einen Newsletter, besuchen unsere geförderten Projekte und teilen Informationen auch über Social Media, wo viele unserer Unterstützer*innen einfach Zugang dazu erhalten.“ Dass sich die Arbeit lohnt,
zeigt die positive Rückmeldung auf einen zuletzt veröffentlichten Film, der über eines der geförderten Projekte berichtet.
Gesund wachsen
ROCK YOUR LIFE! wurde 2008 von drei engagierten Studierenden in Friedrichshafen gegründet. Sie sind zunächst als Bildungsinitiative gestartet und haben sich über die Jahre „zum Sozialunternehmen, zum europaweiten Social Franchise und schließlich zum internationalen Beratungsunternehmen“ entwickelt. Heute unterstützen Elisabeth Hahnke und das gesamte Team Bildungseinrichtungen, Organisationen und Einzelpersonen dabei, ihre Potenziale zu entfalten. Bei ROCK YOUR LIFE! stehen Beziehungsaufbau und -pflege ebenfalls im Mittelpunkt der Arbeit. Die „Beziehung zu Förder- und Freundeskreisen muss eben genauso gepflegt und gehegt werden wie private Freundschaften“, beschreibt Elisabeth Hahnke das Friendraising passend.
In ihrer Organisation bedeutet das: regelmäßig austauschen! Sie berichten häufig und offen über das, was in der Organisation passiert. Dabei sind auch alle ehrlich, „wenn etwas ist der Organisation verbesserungswürdig ist“. Friendraising ist also viel Arbeit, wirkt sich aber zugleich positiv und vor allem nachhaltig auf die Organisation aus. Ist diese Form des Fundraisings denn überhaupt für NGOs geeignet? Celin Sommer und Elisabeth Hahnke sind sich einig: Grundsätzlich kann Friendraising jeder Organisation helfen und einen Mehrwert bringen. „Gemeinsam für den guten Zweck loszugehen ist immer von Vorteil“, findet Elisabeth Hahnke. Celin Sommer ist aber trotzdem der Meinung, dass in NGOs ausreichend „Kapazität für die Betreuung und langfristige Bindung“ vorhanden sein muss. Freundinnen und Freunde müssen ebenso wie beispielsweise Dauerspender*innen gepflegt werden. Besonders gut geeignet für Friendraising findet sie lokale Organisationen. „So können sich Unterstützer*innen besser mit der Arbeit der NGO identifizieren. Etwas, das in der unmittelbaren Umgebung passiert, ist einfach näher und greifbarer als Projekte, die am anderen Ende der Welt umgesetzt werden.“
„Die Beziehung zu Förder- und Freundeskreisen muss eben genauso gepflegt und gehegt werden wie private Freundschaften“
Die passende Ansprache
Lokal sind die Projekte nicht nur greifbarer, sondern auch die Ansprache ist in einem regionalen Kreis einfacher. „Informationen zielgerichtet an alle Menschen zu bringen“, das ist für Celin Sommer die große Herausforderung bei der Gewinnung und Bindung
von Freund*innen. „Sobald die Aktivitäten über einen kleinen, regionalen Kreis hinausgehen und der persönliche Kontakt nicht
mehr vorhanden ist, kann man oft nur auf digitale Hilfsmittel wie E-Mail-Newsletteroder Social Media zurückgreifen.“ Doch dabei kommt nicht alles dort an, wo es auch ankommen soll. Dass solche Informationen in der Masse an täglichen Einflüssen untergehen, findet die Mitgründerin von one for the planet e. V. sehr schade. Besonders herausfordernd finden die Mitarbeiter*innen von ROCK YOUR LIFE! die Ansprache der verschiedenen „Freunde und Freundinnen“. Aufgrund der Entwicklung von der Bildungsinitiative zum Beratungsunternehmen haben nicht nur sie, sondern auch ihre Zielgruppen und Ansprechpartner*innen sich verändert. Mittlerweile
arbeiten Elisabeth Hahnke und das gesamte Team sowohl mit Schulen als auch mit Unternehmen zusammen. Die Gründerin betont, dass es bei den Schulen darum geht, „verständlich zu machen, warum die Jugendlichen an der jeweiligen Schule unbedingt bei ROCK YOUR LIFE! mitmachen sollten, und darum, von unserer Vision zu überzeugen“. Im Gegensatz dazu wollen Unternehmen verstehen, wie die Organisation wirkt, und fragen aktiv nach, wie sie sich selbst einbringen können.
Noch ausbaufähig
Celin Sommer und Elisabeth Hahnke sind beide überzeugt davon, dass Friendraising gemeinnützige Organisationen nachhaltig weiterbringen kann, auch wenn das Aufbauen und Pflegen von Freundes- und Förderkreisen einiges an Kapazität und Kreativität verlangt. Sie sind sich aber auch
einig: Es ist noch Luft nach oben bei der Zahl der NGOs, die Friendraising betreiben. Sie sehen, dass vor allem kleineren Organisationen die Mittel fehlen. „Es ist dann absolut richtig, sich zuerst einmal auf die gemeinnützige Arbeit zu konzentrieren“, fasst Celin Sommer die Situation zusammen. Generell fällt ihr auf, dass viele Organisationen sich teilweise auch eher unbewusst mit dem Thema Friendraising beschäftigen. Am Ende ist diese Art des Fundraisings aber auch abhängig von der Bereitschaft der Gesellschaft und wie sehr diese sich in eine NGO einbringen und an sie binden möchte. Einigen reicht auch die Unterstützung in Form einer Geldspende und die ist in der NGO-Landschaft natürlich ebenfalls sehr wichtig.
Im Gespräch :
Celin Sommer, Gründerin von one for the planet e. V.
Elisabeth Hahnke, Gründerin von ROCK YOUR LIFE!
FUNDStücke 2023-01